Seite 60 - BS_Biographisches_Lexikon

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1699 schenkte der Fürst seiner Gemahlin
ein Grundstück in der Nähe Arnstadts, auf dem
sie bis 1710 ihr Lustschloss Augustenburg
errichten ließ. Hier widmete sie sich ihrer
künstlerischen Sammelleidenschaft, die sich
vor allem auf Porzellane und Gemälde, aber
auch Schmuck und andere kunsthandwerkliche
Erzeugnisse richtete. Die größte Bedeutung
kommt dabei der weltweit einzigartigen Pup-
penstadt „Mon Plaisir“ zu, die im Miniaturfor-
mat das Leben in einer kleinen Residenzstadt
der Barockzeit veranschaulicht. Höfisches
Leben, aber auch Handwerkerstuben und
Markttreiben werden auf diese Weise mitsamt
ihrer jeweiligen Sachkultur gezeigt. Viele
kleine keramische Erzeugnisse in „Mon Plaisir“
wurden in der Fayencemanufaktur Doro-
theenthal hergestellt, die in der Nähe von
Augustenburg auf Veranlassung der Fürstin
gegründet wurde. An der Herstellung der Pup-
pen aus Holz, Wachs und Stoff waren außer
zahlreichen Handwerkern vermutlich auch
Hofangestellte beteiligt. Etwa fünfzig Jahre
lang verwandte die kinderlose und seit 1716
verwitwete A. mehr als ihr gesamtes Vermögen
für ihre Sammlungen und vor allem für die
Ausstattung des „Mon Plaisir“, so dass sie bei
ihrem Tod hohe Schulden hinterließ. Beigesetzt
wurde die Fürstin, die 1715 zum Katholizismus
konvertiert war, in der Kirche des Ursulinen-
klosters in Erfurt. Ihre Puppenstadt, die noch
etwa 400 Figuren und über 2600 einzelne
Inventarteile in 82 Stuben umfasst, befindet
sich heute im Arnstädter Schlossmuseum.
L: W. Leber, Die Puppenstadt Mon Plaisir, 10. Aufl.
1986; M. Klein/C. Müller, Die Puppenstadt im Schloß-
museum zu Arnstadt, 2. Aufl. 1994. – B: Klein/Müller,
S. 3.
S. Wagener-Fimpel
Auguste Karoline Friederike,
Prinzessin von
Württemberg, geb. Herzogin zu Braunschweig
und Lüneburg (Wol).
* 03.12.1764 Brsg † 27.09.1788 Schloss Lohde
(Estland), Prinzessin von Württemberg.
A. war die älteste Tochter des Hzgs Karl Wil-
helm Ferdinand zu Brsg-Lbg und seiner Gemah-
lin
Augusta von England. 1780 heiratete sie
den zehn Jahre älteren Prinzen Friedrich von
Württemberg, der seit 1774 in der Armee des
preuß. Königs diente. Durch die Fürsprache sei-
ner Schwester, die mit dem russischen Throner-
ben verheiratet war, eröffnete sich Prinz Fried-
rich eine Karriere in Russland, denn Katharina
II. ernannte ihn zum Generalgouverneur von
Finnland. A. begleitete ihren Mann 1782 nach
St. Petersburg, wo sie bald die Gunst der Zarin
gewann und von ihr 1783 sogar den Kathari-
nenorden verliehen bekam. Die meiste Zeit lebte
A. im Umfeld des Zarenhofes, nur unterbrochen
von gelegentlichen Aufenthalten in Wiborg,
dem Amtssitz ihres Ehemannes.
Zwischen 1781 und 1785 wurden dem Paar
vier Kinder geboren, doch konnte dieser
Umstand nicht darüber hinwegtäuschen, dass
die Ehe von Krisen überschattet war. Schon
kurz nach der Hochzeit zeigte sich die Unver-
einbarkeit der beiden Charaktere, und nur die
Lebensverlagerung nach Russland scheint die
drohende Scheidung zunächst abgewendet zu
haben. Auch in der neuen Heimat lebte das Paar
in einem ständigen Wechsel zwischen ruhigen
Phasen des Ehelebens, auf die dann wieder
Streit, Schlägereien und Versöhnung folgten.
Vergeblich versuchte die Zarin vermittelnd ein-
zugreifen. Die Auseinandersetzungen des Ehe-
paares wurden schließlich publik, als sich A.
1786 an die Zarin mit der Bitte um Schutz vor
ihrem gewalttätigen Mann wandte. Katharina
II., die kurz vor Antritt einer längeren Reise
stand, forderte den Prinzen zum einstweiligen
Verlassen Russlands auf. Der Prinzessin, die sie
nicht isoliert in St. Petersburg zurücklassen
wollte, wies sie das Schloss Lohde in Estland als
einstweiligen Zufluchtsort zu, bis über eine
endgültige Ehetrennung entschieden sein
würde. Mit einem kleinen Gefolge begab sich A.
Anfang 1787 nach Lohde, wo sie in der Obhut
des alten Generals Pohlmann, eines Vertrauten
der Zarin, stand.
Ein Winteraufenthalt der von ihrem Mann
getrennt lebenden Prinzessin in Reval hatte
eine Schwangerschaft zur Folge. Ältere Quellen
behaupten auch, dass Pohlmann die Situation
ausgenutzt habe, so dass nun ein Skandal
drohte. Bevor der Vorfall jedoch öffentlich wer-
den konnte, starb A. unter ungeklärten Umstän-
den, vermutlich ohne jede ärztliche Hilfe, bei
der Niederkunft.
Durch ihren ältesten Sohn Wilhelm wurde
A. zur Stammmutter der drei letzten württem-
bergischen Könige. Ihre Tochter Katharina
wurde Gemahlin von Jérôme Bonaparte und
damit Königin von Westphalen.