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Bis zur Zeit Karls des Großen mag das eigentli-
che Harzgebirge von Jägern und Hirten durch-
zogen worden sein. Feste Ansiedlungen, Dorf-
planungen gar, gab es nicht. Kein Name
menschlicher Wohnstätten ist überliefert. Die-
se datieren erst seit Kaiser Karl und der Einfüh-
rung des Christentums im Anfang des 9. Jahr-
hunderts.
Die Entstehungszeit kann man in drei Grup-
pen gliedern. Die älteste umfasst die Orte, die
unmittelbar am Fuße des Gebirges, zwischen
diesem und den älteren Siedlungen im Vorland,
entstanden sind. Einige, zum Beispiel Drübeck,
Thale und Ellrich werden schon im 9. Jahrhun-
dert genannt. Die Ortschaften, deren Name auf
-rode ausgehen, gehören meist dem 10. und
11. Jahrhundert an, andere lassen sich erst seit
dem 12. Jahrhundert nachweisen.
Die Besiedlung des Harzes fällt also in eine
verhältnismäßig späte Zeit, als die Deutschen
seit Jahrhunderten sesshaft geworden waren
und in größere Stämme zerfielen, die nicht nur
politisch, sondern auch nach Abstammung und
Sprache eine gewisse Einheit gebildet haben
werden. Es ist zu vermuten, dass damals bei-
spielsweise Thüringer und Niederdeutsche von-
einander völlig verschieden waren, ohne dass
deshalb die Angehörigen eines Stammes oder
auch nur die Bewohner eines Gaues genau die-
selbe Sprache gesprochen hatten. Diese kann
damals eben so verschieden gewesen sein, wie
sie heute noch in deutschen Landen ist. Es ist
anzunehmen, dass alle die verschiedenen Stäm-
me, die hier im Harzgebiet siedelten, deren Na-
men uns aus ältester Zeit überliefert sind, auch
dialektisch mehr oder weniger verschieden wa-
ren, dass nach ihrer Vereinigung zu größeren
Völkerbündnissen deren sprachliche Verschie-
denheit nicht etwa geschwunden ist, wenn auch
eine gewisse Angleichung stattgefunden haben
mag, sondern dass auf ihr die heutigen Sprach-
unterschiede beruhen. In­wie­weit im Laufe der
Zeit die Mundart sich verändert hat, lässt sich
für die Zeit um 1300 nicht sagen. Für die Zeit
nach 1300, in der in den Urkunden an die Stel-
le der lateinischen Sprache die niederdeutsche
tritt, werden Sprachan­gleichungen erkennbar.
Trotzdem zeigt die Urkundensprache eine gro-
ße Mannigfaltigkeit mundartlicher Sprachfor-
men.
Während wir über die Zeit, in der die An-
siedlungen an und auf dem Harz gegründet
wurden, im Ganzen wohl unterrichtet sind,
wissen wir noch wenig darüber, woher die An-
siedler kamen, wenn auch vereinzelt der
eigentliche Gründer des Ortes bekannt ist, wie
Markgraf Gero, der das Kloster Gernrode
gründete, woran sich dann der gleichnamige
Ort anbaute.
Da die Geschichtsquellen äußerst selten Auf-
schluss geben oder einen Anhaltspunkt bieten,
so würde die Frage nach der Herkunft der Be-
siedler des Harzes, den Oberharz ausgenommen,
sich wohl kaum beantworten lassen, wenn die
Dialektikforschung nicht so gute Arbeit ge-
leistet hätte.
Die verschiedenen Gegenden im Harz sind
nicht auf einmal und von Leuten desselben
Die Besiedlung des Harzes