Seite 145 - Fallersleben

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Ein sehr persönlicher Rückblick auf drei Jahrzehnte Fallersleber Geschichte
August Heinrich Hoffmann nannte sich aus Ver-
bundenheit zu seiner Geburtsstadt „von Fallersleben“.
Das dokumentierte er in den Zeilen „An meine Heimat
dacht ich eben, drum schrieb ich mich von Fallers-
leben“. Aus der Feder von Max Frisch stammt die Aus-
sage: „Heimat ist der Mensch, dessen Wesen wir ver-
nehmen und erreichen.“ Ich wollte viele Wesen
erreichen, wollte, dass sich Menschen in Fallersleben
wohlfühlen. Ich begann mit einer wöchentlichen
Sprechstunde, zu der jeder ohne vorherige Anmeldung
kommen konnte. Im Schloss, in dem seinerzeit u.a. die
Verwaltungsstelle der Stadt untergebracht war, erhielt
ich einen Büroraum. Knapp ein Jahr später, im
November 1980, ordnete das Bauaufsichtsamt die
sofortige Schließung des Gebäudes an. Als ich zur
Sprech­stunde kam, war die Eingangstür verschlossen.
Ich war verärgert, weil man es nicht für nötig gehalten
hatte, mich zu informieren, verlegte die Sprechstunde
auf den nächsten Tag und lud die Bevölkerung über
die Zeitungen zu dieser Sprechstunde ein, die ich auf
der Treppe abhielt. Trotz Kälte und Regen war eine
stattliche Anzahl Frauen und Männer gekommen,
einige hatten Tee und Kaffee mitgebracht. Ich wandte
mich in den folgenden Tagen an das Land Nieder-
sachsen sowie an das Institut für Denkmalpflege in
Braunschweig. Nach vielen Gesprächen und Orts-
terminen wurde ein bauhistorisches Gutachten in Auf-
trag gegeben. Das Land Niedersachsen unterstrich die
baugeschichtliche Bedeutung des Schlosses und stellte
Finanzmittel für die Substanzerhaltung in Aussicht.
Die Stadt bewilligte die weiteren Finanzmittel und ent-
schied sich für eine Nutzung als „Museum deutscher
Demokratie im 19. Jahrhundert“ (Hoffmann-von-Fal­
lersleben-Museum). Bis zur Fertigstellung vergingen
viele Jahre. Zunächst wurden die Pfähle erneuert,
dann folgten die Substanzsicherung, Restaurierung
und Renovierung. Der Gewölbekeller wurde vertieft,
damit dort öffentliche Veranstaltungen stattfinden
konnten. Im ersten Stock wurden Malereien, Schnit­
zereien und Stuckdecken freigelegt und restauriert
sowie ein Trauzimmer eingerichtet. Zur Einweihung
im Jahr 1991 kam Bundestagspräsidentin Rita
Süssmuth als Festrednerin.
In den 1960er Jahren bot unsere Altstadt einen
etwas anderen Anblick als heute. Gefragt waren
moderne Mietwohnungen oder Bungalows. 1975
wurde dann zum „Europäischen Denkmalschutzjahr“
ausgerufen. Die Initiatoren machten auf das Archi-
tekturerbe aufmerksam, wollten informieren, auf
Werte und Möglichkeiten hinweisen, ein Umdenken
erreichen. Vorträge, Seminare, Führungen etc. wurden
angeboten. Es gab viele Veranstaltungen, Vorträge und
Publikationen. Städte und Landkreise schufen Stellen
für Denkmalpf leger, Zuschüsse für den Erhalt
schützenswerter Häuser wurden bereitgestellt. Auch
in der Fallersleber Altstadt waren in dieser Zeit Fach-
werkhäuser ungenutzt oder unbewohnt, einige Häuser
waren vom Verfall bedroht. Plastik- und Eternit-
Fassaden verdeckten Fachwerk und Balken. 1976
kaufte ein junges Ehepaar aus Celle in der Wester-
straße ein Haus, das schon einige Zeit leer stand. Sie
renovierten das kleine Fachwerk-Haus kompetent und
liebevoll. Das Haus wurde ein Schmuckstück, die
Familie zog 1976 ein. Das Haus schuf aus meiner Sicht
die Grundlage für eine positive Veränderung. Das Zitat
aus der Feder von Albert Schweitzer: „Es gibt nichts
überzeugenderes als ein gutes Beispiel“ wurde Wirk-
lichkeit. Andere Hauseigentümer ließen sich beraten,
sanierten, restaurierten, erneuerten oder veränderten
den Farbanstrich, tauschten Fenster und Dachziegel
aus. Natürlich gab es auch Abbrüche und Neubauten.
Doch das Positive überwog.
Ein weiterer Schritt in Richtung Attraktivitätsstei­
gerung der Altstadt war der Umbau der Westerstraße
zum „verkehrsberuhigten“ Bereich. Die von der Stadt
einberufene Anliegerversammlung verlief sehr emo­
tions­reich. Der planende Architekt war am Ende ziem-
lich niedergeschlagen. Die Straße wurde dann, wie
vorgestellt, gebaut. Abweichend vom Konzept blieb
allerdings der Durchgangsverkehr für Pkw und Lkw
bestehen. Die lange Bauzeit kostete die Anwohner
Nerven und Geduld. Nach der Fertigstellung hatte