Seite 44 - Fallersleben

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Marco, Bischof zu Fallersleben
DIRK RIESENER
Die erste schriftliche Erwähnung eines Ortes ist nicht
nur für die Ansetzung von Ortsjubiläen von Bedeutung,
sie kann auch Historiker beschäftigen, die an dem Ort
selbst gar nicht interessiert sind. Ein solcher Fall liegt
für die erste urkundliche Erwähnung von Fallersleben
und Ehmen vor. Deutsche und österreichische Histo­riker
rangen um die Bewertung und Einordnung dieser Ur-
kunde und lösten unter Heimatkundlern Verwirrung
aus. In Frage stehen die Jahre 942, 962, 966 und 973.
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Es lohnt also, diese Urkunde zu analysieren und die Ge-
dankengänge der Experten aus den vergangenen 150
Jahren nachzuzeichnen, um etwas Klarheit in die An-
gelegenheit zu bringen. Dabei erweist sich, dass die Be-
schäftigung mit diesem Dokument einen Einblick in eine
fremde Vergangenheit eröffnet, der über die Frage nach
„Marco, Bischof zu Fallersleben“ – eine Urkunde und ihre Folgen
der ersten Erwähnung Fallerslebens hinaus von Interesse
ist. Dies gilt im Besonderen, wenn sich im Laufe der
Jahrhunderte vom Inhalt der Urkunde ausgehend ein
Pfauenschwanz von Geschichten gebildet hat.
Zunächst eine Übersetzung der in Latein verfassten
Urkunde:
Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit.
Otto, König von Gottes Gnaden. Der Eifer aller unser
Getreuen, sowohl der gegenwärtigen wie der zu-
künftigen möge erkennen, wie Wir zum Seelenheil
Unserer vielgeliebten Gemahlin Adgidis und zumWohle
Unsers Sohnes Liudolf an die Kirche des heiligen Erz-
engels Michael und der heiligen Märtyrer Cosmas und
Damian
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und nicht zumwenigsten der heiligen Märtyrer
Alexander, Eventius und Theodolus
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die an dem Orte
erbaut ist, der Fallersleben (ualareslebo) heißt, der ein
ehrenwerter Mann namens Marco vorsteht, aus Unserm
eigenen Besitz 5 Hufen und ebenso viele Familien, die
im Gau Derlingau belegen sind in der Grafschaft Liudolfs
im Dorf Ehmen (gimin) übergeben; und alles, was Wir
im vorbenannten Orte, nämlich gimin, es sei an Ge-
wässern, an Wiesen oder Weiden, an Äckern, auch an
Wegen und Triften haben Wir der vorgenannten Kirche
geschenkt. Und damit diese Bestimmungen auf die
Dauer gelten, befehlen Wir, daß sie mit dem Abdruck
Unsers Siegelringes unterzeichnet werden.
Das Handzeichen des Herrn und Gebieters Otto, des
ganz unbesiegbaren Königs habe ich, der Kanzler Brun
an Stelle des Erzkaplans Friederich geprüft und für
richtig befunden.
Geschehen in der Pfalz Magdeburg, im Jahre der
Fleischwerdung des Herrn 966 in der ? Indiktion, am
4. Wochentage, gegeben am 3. Tage vor den Nonen des
Oktober. Heil. Amen.
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Urkunde Otto I. mit der Ersterwähnung
von Fallersleben.