Seite 28 - Hans_Steffens

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auch die Konstruktion der Wäscheleine
schließen, die sich quer durch das Bild
zieht: am Außenspiegel eines wohl zum
Wohnwagen umfunktionierten Liefer-
fahrzeugs angebracht, spannt sie sich
bis zu einem Masten am rechten Bild-
rand. Dieses Bild der Aufrechterhaltung
hauswirtschaftlicher Konventionen wird
im Vordergrund konterkariert durch ein
Feld, das mit Unrat übersät ist. Zuflucht
angesichts des Elends bietet im Hinter-
grund ein Gebäude, das typisch ist für
die Notarchitektur der Nachkriegszeit.
Schnell hochgezogene eingeschossige
Flachbauten wie dieser, meist an einem
Eckgrundstück gelegen, waren lange Zeit
paradigmatisch für das Bild der allmäh-
lich wiederaufgebauten Innenstädte des
zerstörten Deutschlands. Die Kneipe,
die sich hier darin angesiedelt hatte,
steht mit ihrem Namen
Zur Kajüte
für
das Bedürfnis nach Geborgenheit im
Deutschland der Wiederaufbauzeit.
Die Szene, die Steffens in einem wei-
teren Bild dieser Jahre festhält, zeigt da-
gegen vielleicht schon die Überwindung
des Improvisationsstadiums. Vor einer
von Brandspuren gezeichneten Ruine
ist ein Haus zu sehen, das aus Brettern
unterschiedlicher Farbigkeit zusammen-
gezimmert ist. Tür und Fenster sind von
jeweils deutlich anderer Bauweise, es
handelt sich also um ein Heim, das aus
mühsam gesammelten Fundstücken col-
lagiert wurde. Auch hier sind rudimen-
täre Reste bürgerlicher Wohnkultur zu
entdecken: sorgfältig geraffte Gardinen
schufen für die Bewohner des ärmlichen
Bauwerkes trotz primitiver Wohnverhält-
nisse einen geordneten privaten Rück-
zugsraum. Diese Notunterkunft schwebt
nun, von dicken Seilen umspannt, an
einem Kran. Wird sie vielleicht entsorgt,
um Neubauten Platz zu machen? Die
Sorgfalt, mit der das kümmerliche
Häuschen transportiert wird, spricht da-
gegen. Ein Abriß wäre Verschwendung
gewesen, die Umsetzung dagegen war
angesichts der Not an Wohnraum wohl
eher geboten.
Bei einer Ansicht von St. Katharinen
findet im Vordergrund eine Tätigkeit
statt, die zunächst rätselhaft erscheint.
Drei Männer montieren in luftiger Höhe
große Scheinwerfer auf das Dach eines
Hauses. Völlig konzentriert auf die Lö-
sung der technisch komplizierten Auf
be, gönnen sich die Arbeitenden kein
Moment für einen Blick auf die spekta
läre Aussicht, die sich ihnen sicher biet
würde. Erst durch die Einbeziehung
Bildhintergrundes klärt sich die Bilda
sage. Denn obwohl die eifrigen Monte
der Kirche den Rücken zukehren, li
der Schluß nahe, daß diese das Ziel ih
Handelns ist. Angeschnitten und an d
rechten Rand gerückt, beherrschen
beiden Kirchtürme den Bildhintergru
Durch die im Bild nach rechts abfall
den Linien, die durch die Stromleitu
sowie die Köpfe der Techniker marki
werden, wird die Ansicht der Fassa
zusätzlich betont. Die Reduktion
die Darstellung menschlicher Aktivi
in Kombination mit der überzeitlich
Anmutung des jahrhundertealten B
werkes, läßt den Betrachter, auch oh
textliche Zusatzinformationen, schließ
daß die Handlung der Subjekte im V
dergrund auf das Objekt im Hintergru
bezogen sein muß. Die grammatikalis
festgelegten Rollen werden vertausc
die Subjekte stellen ihre Tätigkeit
den Dienst des Objektes. Der Künst
Notunterkunft
(nach) 1944
12,9 x 16,2
Stiftsgasse/Ecke Lange Straße
(nach) 1955
15,8 x 16,4