Seite 40 - Herzog_Heinrich

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VIII
Erfolge mit Hilfe des Kaisers – 1520 bis 1523
Ende Juni reitet Heinrich in die Niederlande, um den aus Spanien eingetroffe-
nen Kaiser persönlich zu sprechen. Gut vorgearbeitet hat er. Fest zu ihm ste-
hen seine Freunde Philipp von Hessen, Georg von Sachsen und Kurfürst
Albrecht von Mainz, jetzt auch Kardinal. Mit den meisten norddeutschen Fürs-
ten verbindet ihn neuerdings ein Vertrag auf gegenseitige militärische Hilfe,
dem auch König Christian II. von Dänemark beigetreten ist – zu Heinrichs
besonderer Genugtuung, denn der Dänenkönig ist mit des Kaisers Schwester
Isabella verheiratet. Man sagt ihm nach, zu den engsten Beratern Karls V. zu
zählen. Da bekümmert es Heinrich wenig, dass die Gegner beim Kurfürsten
von Brandenburg, dem Bischof von Münster, Herzog Magnus von Lauenburg
und natürlich Albrecht, dem rivalisierenden mecklenburgischen Landesherrn,
Rückhalt finden.
Erich von Calenberg zieht es vor, diesmal daheim zu bleiben. Er nimmt seinen
Schwur der Urfehde sehr ernst. Wilhelm, gegen Ehrenwort in Freiheit, darf auf
des Oheims Fürsprache den älteren Bruder begleiten, was der bei allem Miss-
vergnügen für geziemend hält. Die praktisch denkende Tante Katharina hat
auch einen guten Rat beizusteuern: Da der Majestät als gebürtigem Flamen
der Ruf vorausgeht, lieber Bier zu trinken als Wein, sollte Heinrich im Gepäck
neben angemessener Kleidung auch vom viel gerühmten Einbecker Gersten-
saft eine Kostprobe mitführen.
Bis der Kaiser von einem Treffen mit dem englischen König Heinrich VIII. aus
Calais zurück ist, muss sich Heinrich am Brüsseler Hof für ein paar Tage in
Geduld üben.
Um zu verdeutlichen, welche außergewöhnliche Ehre dem eher unbedeuten-
den norddeutschen Fürsten zuteil werden soll, hält man ihm die Abschrift
eines Briefes unter die Nase, den der Großkanzler Mercurino Arborio di Gatti-
nara am Tag nach der Kaiserwahl an das neue Reichsoberhaupt richtete: Sire,
nun da Gott euch die wunderbare Gnade erwiesen hat, euch über alle Könige
und Fürsten der Christenheit zu einer solchen Macht zu erheben, wie sie bis-
her allein euer Vorgänger Karl der Große kannte, seid ihr auf dem Weg zur
Universal-Monarchie und schickt euch an, die Christenheit unter einem Hirten
zu versammeln. Seinem Gebieter zu schmeicheln, versteht dieser Piemontese
besser als mein Johann Peyn, sinniert Heinrich neidlos. Einschüchtern lässt er
sich nicht.
An einem schönen Sommertag Ende Juli ist es dann so weit. In feierlicher
Audienz, wie vor Jahren sein Großvater, empfängt Karl V. die Wolfenbütteler
Herzöge. In Samt und Seide, der regierende Herzog voran, schreiten sie durch
ein Spalier prächtig herausgeputzter Höflinge. Bücklinge hier, Verrenkungen