Seite 50 - Herzog_Heinrich

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‘Der Luther mag sich gebärden, wie er will,’ knurrt er, ‘redet der Abkehr vom
alten Glauben das Wort, untergräbt damit die herrschende Ordnung.’
Seine Klage findet kaum Widerhall. Die Runde der Standesgenossen ergeht
sich lieber in unzweideutigen Trinksprüchen auf den gerade errungenen Sieg
über den frechen Pöbel.
Am 30. Mai nehmen die Fürsten voneinander Abschied. Mit Ausnahme Her-
zog Georgs verlassen sie Mühlhausen. Heinrich zieht mit sieben Fähnlein Rei-
sigen nach Heiligenstadt, das sich den Aufständischen angeschlossen hatte. Im
Namen des Kurfürsten von Mainz besetzt er den Ort, erlegt der Bürgerschaft
harte Strafen auf. Das Gleiche wiederholt er wenige Tage später in Duderstadt,
nimmt als Vertreter des Kurfürsten die Huldigung des Rates entgegen, der
Stadt alle Privilegien ab, legt ihr eine bedeutende Brandschatzung auf und ver-
bietet die Gilden. Zudem verordnet er die zukünftige Teilnahme eines herr-
schaftlichen Schultheißen an den Ratssitzungen. Den Bauernaufstand haben
die Landesfürsten mit brutaler Gewalt erstickt. Binnen kurzem verglimmt das
von der Wut der Unterdrückten entfachte Feuer auch in den übrigen Teilen
des Deutschen Reiches.
Heinrich kehrt zurück nach Wolfenbüttel. Dort bleibt ihm jedoch kaum Zeit zur
Muße. Kaum zwei Wochen daheim, ruft Herzog Georg von Sachsen ihn und
Erich von Calenberg zu einer wichtigen Besprechung nach Dessau. Auch Kur-
fürst Joachim von Brandenburg und Albrecht von Mainz folgen der Einladung.
In Mühlhausen hatte der Bärtige vorgezogen, der Auseinandersetzung des
kursächsischen feindlichen Vetters mit dem Wolfenbütteler Freund schwei-
gend zuzuhören. Die Sorge um das Vordringen des Luthertums gibt ihm jetzt
Anlass für das Dessauer Treffen.
Wie ein Alpdruck lastet die Angst vor der Glaubensspaltung auf den katholi-
schen Fürsten. Ist die Befürwortung von Luthers Lehren in Kursachsen und
neuerdings auch Hessen mit der eigenen Ablehnung noch politisch zu verqui-
cken? Was hat man vom Landgrafen zu halten? Wie lange noch wird sich über
alle Meinungsverschiedenheiten hinweg ein geselliges Verhältnis zu den
Andersdenkenden bewahren lassen?
Immer weniger Fürsten bleiben dem rechten Glauben treu. Jetzt hat sogar ein
Hohenzoller, der Hochmeister Albrecht, das alte Ordensland Preußen in ein
weltliches Herzogtum nach dem Zuschnitt der Lutheraner umgewandelt.
Sollte nicht aber gerade der Bauernkrieg den beiden wichtigsten Beschützern
der Irrlehre mehr zu denken geben, als Kurfürst Johann wahrhaben wollte?
Man müsste ihn und Philipp von Hessen bewegen, wenigstens aus Rücksicht
auf den Kaiser das Wormser Edikt zu beachten. In diesem Sinne verhandeln
wolle man mit den beiden über gegenseitige Hilfe, zugleich aber auf Bekämp-
fung der ‘verdammten lutherischen Sekte’ und ‘Wurzel dieser Aufruhr’ beste-
hen. Nach dem Vorschlag Georgs von Sachsen beschließen die anwesenden
Fürsten den Dessauer Bund. Etwas zögerlich übernimmt Heinrich die Aufga-
be, seinen guten Freund Lip dem Luthertum abspenstig zu machen. Das
freundschaftliche Einvernehmen mit dem immer selbstbewusster auftretenden
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Bauernkrieg und Schulterschluss der katholischen Fürsten