Seite 58 - Herzog_Heinrich

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XIII
Die Eskalation des Glaubensstreites – 1528 bis 1532
Nach mehr als sechsmonatiger Abwesenheit kehrt Herzog
Heinrich der Jüngere nach Wolfenbüttel zurück. Die Herzo-
gin hat ihm inzwischen einen weiteren Knaben geboren und
auf den Namen Julius taufen lassen. Weder der unwelfische
Taufname, noch die schwache Konstitution des Kindes
begeistern den heimkehrenden Vater. Dazu ist der Säugling
durch eine Unaufmerksamkeit seiner Amme vom Tisch
gefallen, hat einen Fuß gebrochen; was Heinrich weniger bekümmert als ande-
re Ärgernisse. Davon findet er reichlich vor.
Des einen Freude ist des anderen Ungemach: Elisabeth, die junge Fürstin von
Calenberg war ebenfalls niedergekommen. Am 10. August hatte sie ihrem
überglücklichen Gemahl einen Sohn geschenkt, wie der Vater Erich geheißen.
Eine schlimme Nachricht für den Wolfenbütteler Herzog. Seine sichere Erwar-
tung, nach des Oheims Tod selbst das Calenberger Erbe seines Großvaters
anzutreten, beide Teile des braunschweigischen Herzogtums wieder zu verei-
nigen, ist nun in Frage gestellt. Das belastet auch das Verhältnis zu dem noch
immer seiner Bewegungsfreiheit beraubten Wilhelm. Wenigstens ist er froh,
dem vor seiner Abreise ausgefertigten Vertrag im letzten Augenblick die
Unterschrift versagt zu haben. Wieder einmal hat sich sein Spürsinn bewährt.
Von seinem Bruder Erich bekommt er Kunde, dass dieser unversehrt aus Italien
zurückgekehrt ist, aber keine Bleibe findet. Das Ordensland Preußen war von
seinem Hochmeister, Albrecht von Brandenburg, in ein weltliches Herzogtum
lutherischer Prägung umgewandelt worden. Erich plant nun, Hochmeister der
vier im Reich verbliebenen Balleien zu werden. Doch das kostet Geld. Aber die-
ser eher unbedarfte Bruder hat immer treu zu ihm gestanden, trotz Heinrichs
oftmals nicht eingehaltenen Versprechungen, ihn geziemend zu versorgen.
Die Herzogin liegt ihm in den Ohren, sich endlich ihres Bruders Ulrich anzu-
nehmen, der sein Herzogtum zurück haben will. Wenn sie schon des Kaisers
wegen ihren Gatten so lange entbehren musste, sollte der jetzt wenigstens
beim Reichsoberhaupt für den Württemberger Schwager intervenieren.
Haben Heinrich bei seiner Rückkehr die alten familiären Streitfragen einge-
holt, ist die schöne Eintracht mit dem Oheim in Calenberg und somit die
Zukunft beider Fürstentümer in Zweifel gezogen, verstimmt ihn etwas ande-
res noch mehr:
Die Stadt Braunschweig hat sich dem neuen Glauben zugewandt! Wohl gab es
schon früher etliche Bürger in der Stadt, die dem neuen Glauben anhingen.
Pfarrer Gossel wusste darum und hatte oft genug seinen warnenden Finger
erhoben.