Seite 85 - Herzog_Heinrich

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Der Weg zum Augsburger Religionsfrieden – 1555
Der braunschweigisch-fränkische Bund von Würzburg, Bamberg und Nürn-
berg mit dem Herzog von Wolfenbüttel hat nicht nur militärisch die Oberhand
behalten. Er gewinnt auch erheblich an politischem Gewicht.
Schon macht sich Herzog Christoph von Württemberg Sorgen, der Wolfenbüt-
teler Vetter könnte alte Ansprüche an seinen Vater Ulrich nun mit Waffenge-
walt gegen ihn geltend machen. Doch Heinrich beweist ein gutes Gespür für
die politische Großwetterlage. Haben die Erfahrungen der letzten Jahre den
Reichsständen nicht die Einsicht beschert, ihre territorialen Streitigkeiten von
überregionalen religiösen wie dynastischen Konflikten loszulösen und tun-
lichst auf friedlichem Weg beizulegen? Da fällt es weniger auf, lediglich näher
gesessene Schuldner zur Kasse zu bitten. Graf Poppo von Henneberg, Wolf-
gang von Anhalt, Albrecht von Mansfeld beugen sich des siegreichen Herzogs
mehr oder weniger gelindem Druck und leisten ihm Schadenersatz, soweit sie
sich Mittel beschaffen können. Hamburg, Lüneburg und Lauenburg, zahlen
nach Absage ihrer Verbindung zum Markgrafen von Kulmbach sogar recht
bedeutende Summen.
Manche protestantischen Stände fragen sich, ob der ersehnte Friede nicht
gefährdet bleibt, solange ein erzkatholischer Fürst wie Heinrich von Wolfen-
büttel mit der Drohgebärde des Schwertes in der Faust an allen seinen Feinden
Rache üben darf. Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg bietet seine Ritter-
schaft auf. Doch gegen den
fürchterlichen Heinze
will niemand
ein Pferd satteln –
der Appetit auf riskante Fehden ist jedermann vergangen. Statt zu rüsten, wil-
ligt der Mecklenburger ein, das Herzogtum mit seinem Bruder Ulrich zu teilen
– wobei Heinrich ebenso Vermittlungshilfe leistet, wie bei der Beilegung von
Streitigkeiten zwischen Ratzeburg und Lauenburg. Einigem Argwohn, den die
süddeutschen Fürsten des Heidelberger Bundes – dem auch Christoph von
Württemberg angehört – gegen ihn noch hegen mochten, begegnet der wehr-
hafte Herzog eindeutig, indem er nur vermutlichen Verbündeten des französi-
schen Königs Angst macht. Der bereitet Anfang 1554 einen neuen Feldzug vor
und schickt ausgerechnet Albrecht Alcibiades nach Deutschland, Söldner
anzuwerben. Doch kommt ihm Heinrich zuvor. Mit fränkischem Geld hält er
zwei Regimenter Fußknechte unter Georg von Holle, Hilmar von Quernheim
und Liborius von Münchhausen unter Waffen, sowie 1.200 Pferde. Das kann
den Fürsten des Heidelberger Bundes nur recht sein, die sich ursprünglich
gegen Bestrebungen zusammengetan hatten, dem im Reich unbeliebten spani-
schen Philipp die Nachfolge seines Vaters auf dem Kaiserthron zu verschaffen
– eine Absicht, die Antoine Perrenot de Granvelle, Bischof von Arras, zielstre-
big verfolgt. Dieser Sohn von Nicolas Perrenot de Granvelle hat nach dessen