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              Exkurs: Das Lager „Mascherode“
            
            
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              Die Baukolonne aus Neuengamme wurde am 18.8.1944 in zwei Güterwaggons zum
            
            
              Braunschweiger Bahnhof gebracht. In den für sie im Vorort Mascherode vorgesehenen
            
            
              Baracken fehlten die Toiletten, für die Morgenwäsche führte man die Häftlinge, gut
            
            
              bewacht, in einen benachbartenWaschraum. Als WC diente ihnen eine Latrine, die sie auf
            
            
              dem mit Büschen bepflanzten Lagerhof ausheben mussten. Die erste Aufgabe, die sie
            
            
              bekamen, war, den Lagerbereich mit den geforderten Sicherungen zu versehen. Sie umga-
            
            
              ben also den Hof mit Stacheldraht, die Fenster der Baracke wurden mit Gittern versehen.
            
            
              Danach mussten sie Luftschutzunterstände ausheben. Diese Gräben wurden am Ende des
            
            
              Lagerhofes, bereits außerhalb des Lagers, unmittelbar neben jenen Unterständen, in
            
            
              denen bei Alarm die zivilen Zwangsarbeiter des Lagers Zuflucht suchten, angelegt.
            
            
              Wecken war um 5 Uhr, Bettruhe um 20 Uhr. Um 6 Uhr holten Lastwagen die ver-
            
            
              schiedenen Arbeitstrupps, um sie an ihren Arbeitsort zu fahren. Die Maschinenkolonne
            
            
              ging nach Vechelde, wo sie Werkzeugmaschinen installierte. Die Tunnelkolonne grub mit
            
            
              dem Kompressorhammer unter einem Tunnel eine Rinne für dicke Telefonkabel aus,
            
            
              während die dritte Gruppe, die Baukolonne, die Planierungsarbeiten für das zukünftige
            
            
              Lager Schillstraße vornahm. Die Baukolonne erledigte auch kleine Arbeiten in der Stadt,
            
            
              hauptsächlich aber musste sie nach den Bombenangriffen die Trümmer, u.a. auch auf
            
            
              dem Gelände des Luftwaffenlazaretts an der Salzdahlumer Straße, forträumen. Einige
            
            
              Dutzend Häftlinge waren im Dezember 1944 beim Gießen einer großen Betonplatte
            
            
              (Sockel, auf dem eine Presse stehen sollte) im Büssing-Werk in Braunschweig beschäftigt.
            
            
              Berichtet wird, es sei „die Hölle“ gewesen: „Anliefern, den Beton mischen, zuschütten,
            
            
              alles [43 Kubikmeter Beton] mussten wir mit unseren Händen verrichten“. Dabei wurden
            
            
              sie von Kapos brutal verprügelt. Eine andere Gruppe war bei umfangreichen Erdarbeiten
            
            
              am Verschiebebahnhof beschäftigt.
            
            
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              Im Lager blieben der Arzt Dr. Salan sowie der Lagerälteste Josef Folga „Jupp“
            
            
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              , der
            
            
              Stubendienst August
            
            
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              , der Frisör, ein französischer Häftling, und der Sanitäter, ein
            
            
              sowjetischer Häftling
            
            
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              . Sie waren mit den Arbeiten des Stubendienstes beschäftigt: Betten
            
            
              machen, Böden fegen und wischen, Fenster putzen u.ä. Die Verpflegung war zu dieser Zeit
            
            
              „ausreichend, fast kräftig“. Nach dem Aufstehen bekamen die Häftlinge 100g Marmela-
            
            
              denbrot mit heißem Kaffee, um 10 Uhr 100g Marmeladenbrot und 100g Margarinebrot
            
            
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              Vgl. Kapitel „Bei Büssing, dem König von Braunschweig“, in: Salan, Prisons, S. 133-145. Den entsprechen-
            
            
              den Teil dieses Kapitels hat Salan „Die Idylle von Mascherode“ betitelt.
            
            
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              Brossard, Alice et Gaston, S. 277ff. Den Hinweis auf die Aufräumarbeiten in der Salzdahlumer Straße ver-
            
            
              dankt der Autor Hartmut Nickel vom Stadtarchiv Braunschweig.
            
            
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              Josef Folga stammte aus Gleiwitz, er trug zwar das rote Dreieck, unter den Häftlingen war es aber bekannt,
            
            
              dass er sich im besetzten Polen der Gestapo zur Verfügung stellte und erst infolge von Unterschlagungen, die
            
            
              er beging, den Weg nach Neuengamme antreten musste. Dr. Salan meinte, Folga sei ein Pole gewesen.
            
            
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              Angeblich ein Pole aus Schlesien, im Konzentrationslager seit ca. 1940.
            
            
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              Es war Iwan Konstantinowitsch. Der Familienname ist nicht bekannt.