Seite 8 - Kaeferprofile_

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Gebraucht ab Werk
Nowottny. »Wen haben wir denn? – Nun
kommt mir doch nicht mit Rosenthal! Wir
brauchen Schmidt oder Kohl, Schmidt oder
und Kohl!« Für alle diejenigen, die den
damaligen »Bericht aus Bonn«-Macher im
bundespolitisch bedeutsamen Jahr 1982
vor laufenden Wahlstudio-Kameras derart
in Rage erlebten, war es ein Genuss.
Alle Nachgeborenen können sich den
amüsanten Blick hinter die Kulissen des
deutschen Fernsehens zumindest noch im
Internet ansehen. Friedrich Nowottny ist
ein Qualitäts- und Frischesiegel des
politischen Journalismus in Deutschland
– auch heute noch, 17 Jahre nach seiner
letzten Sendung aus dem Bonner Haupt-
stadtstudio und rund 7 Jahre nach seinem
Abschied als WDR-Intendanten, kann er es
nicht sein lassen. Zum Glück.
Wir biegen mit dem Käfer in die Einfahrt
des Nowottny’schen Anwesens in Swisttal.
Die sich öffnende Haustür gibt den Blick
frei auf einen Herrn in Cordjacke und
auf eine Vielzahl an Karikaturen,
Bildern und Fotos eben des Mannes, der
jetzt die Hand zur Begrüßung ausstreckt:
»Nowottny. Guten Tag.« Und gleich
darauf: »Ich kann Ihnen leider nichts
anbieten, außer Wasser – meine Frau ist
nicht da.« Ebenso trocken wie diese
Bemerkung bleibt dann auch der Besuch –
jedoch nur, was die Getränke angeht.
Nowottny. Er, der den politischen
Journalismus zu Rekordhöhen der Populari-
tät führte. Dessen analytische Präzi-
sion, gepaart mit süffisanten Kommenta-
ren, immer noch seinesgleichen sucht.
Möge der »Pfeifenraucher des Jahres
1976« noch lange den bundesdeutschen
Mattscheiben erhalten bleiben, die er
schon so lange erhellt.
? Herr Nowottny: Fähige Politiker von heute. Es sind mehrere Nennungen möglich
– Vielleicht kennen wir die Fähigsten noch gar nicht. Wahlen bringen ja immer wieder Über-
raschungen – auch im Parlament – mit sich. Die, die dran sind, müssen ihre Fähigkeit täglich
erneut beweisen, und das klappt mal beim Kanzler oder beim Oppositionsführer – und manchmal
geht es daneben. Also: Fähigkeiten und Möglichkeiten in der Politik halten sich die Waage.
? Konkrete Namen ...
– Ich glaube, meine Antwort sagt, was ich sagen will: Es gibt Politiker, die gehen mit den
Möglichkeiten der Macht gut um – andere verschenken die Chance, die damit einhergeht.
? Sie sind ein harter Brocken! Namen möchten Sie wirklich nicht preisgeben?
(süffisant)
Ich weiß ja nicht, wann Ihr Buch erscheint ...
? Zwei Zitate: »Wenn es Politikern die Sprache verschlägt, dann halten sie eine Rede.«
(schmunzelt, faltet die Hände und schaut genüsslich zur Zimmerdecke)
Ja, das habe ich noch in
Erinnerung, das ist wohl aus einer Moderation des Berichts aus Bonn von mir. Ich glaube, das
hat nach wie vor Gültigkeit, das ist so. Manche flüchten sich in Reden und manche halten
Reden, denen man gerne zuhört ... und – da gibt es schon gravierende Unterschiede!
? Das zweite Zitat ist dem aktuellen Volksmund entnommen und geht so: »Wenn man keine Ahnung
hat – einfach ‘mal Fresse halten!« Das ist jetzt etwas rüde, bringt den Sachverhalt aber wohl
auf den Punkt ...
– Dagegen ist ja auch nichts zu sagen.
? Beide Zitate zielten auf die Frage nach der Geduld ab, die Sie in Ihrer Bonner Zeit haben
aufbringen müssen. Hat es Sie nicht schon das ein oder andere Mal gereizt, jemandem verbal
derart unverblümt beizukommen?
(denkt länger nach)
Also, ich hätte nie zu einem Interviewpartner sagen können: »Halt ‘mal
die Klappe!« Oder »...die Schnauze!« oder ähnliches. Das entspricht nicht den normalen Umgangs-
formen. Aber – es geht einem schon manchmal durch den Kopf, wenn die Zeit verrinnt – und die
Zeiten in Radio und Fernsehen sind ja alle begrenzt und knapp – dass man gerne schon einmal
gesagt hätte: »Mein Gott! Komm’ doch endlich ‘mal zur Sache! Oder zum Ende Deiner Ausführungen!«
Aber – das ist schwer zu sagen ... Man kann, wenn es nicht live ist, das eine oder andere ganz
gut am Schneidetisch erledigen. Das, äh, löst nicht immer Freude bei den Interviewten aus – ist
oft genug vorgekommen – und war für mich und meine Kollegen in Bonn auch oft der Grund für lang
andauernde Feindschaften.
Friedrich Nowottny, Mittwoch, 18. April 2002,
Swisttal bei Bonn