Seite 16 - Kirchenbuch

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Konventswesen im FürstentumWolfenbüttel auch nach der Reformation bot. Allen ge-
nannten Bereichen sind im vorliegenden Band eigene Beiträge gewidmet.
Seit dem Erscheinen der Festschrift von 1968 sind zahlreiche Studien zur Geschichte
der Landeskirche in der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch zu weiteren kirchen-
geschichtlichen Themen des 20. Jahrhunderts erschienen, so dass nun eine ausführ-
liche Gesamtdarstellung der neueren und zeitgeschichtlichen Geschehnisse nicht nur
geboten, sondern möglich ist. Dieter Rammler führt im letzten Abschnitt seiner 2009
erschienenen Kleinen Braunschweigischen Kirchengeschichte gut nachvollziehbar
das Ineinandergreifen von kirchlicher Zeitgeschichte und den gegenwärtigen Anlie-
gen und Herausforderungen der Landeskirche vor.
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Auch in der vorliegenden aus-
führlicheren Darstellung werden etliche Themen, sei es die Diakonie- und Missionsge-
schichte, das Verhältnis zwischen Kirche und Staat oder Kirchenbau, Kirchenkunst
und Kirchenmusik, bis in die unmittelbare Gegenwart ausgeführt.
Der Rückgriff auf die eigene Geschichte geschieht, wenn nicht durch einen Gedenk-
anlass motiviert, häufig aufgrund einer notwendigen Standortbestimmung in Krisen-
oder Übergangszeiten. Menschen und Institutionen suchen nach Selbstvergewisse-
rung in ihrer Tradition, ihrer Geschichte. Insbesondere der Kirche ist der notwendige
Bezug auf Vergangenes als Wesenszug immanent, will sie ihrem Auftrag und den ihr
von Beginn des Christentums an vorgegebenen Themen treu bleiben. „Wir bleiben im-
mer durch das geschichtliche Erbe mitbedingt und werden nicht freier für die heute
und morgen auf uns wartenden Aufgaben, wenn wir es achtlos beiseite setzen“
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,
schrieb 1968 Landesbischof Dr. Gerhard Heintze. Und auch Johannes Beste betonte
seinerzeit die Notwendigkeit einer Rückbesinnung auf die Kirchen- und Glaubensge-
schichte des Braunschweiger Landes. Er wollte sie als Beitrag zur Freilegung des reli-
giösen Kerns „unter der starren Hülle des Vernunftglaubens“
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in einer Zeit wachsen-
der Unkirchlichkeit, der es durch wahre Christenliebe zu begegnen gelte, verstanden
wissen.
Eine ständig fortschreitende Säkularisierung und die von Beste als Problem benann-
te zunehmende Unkirchlichkeit machen der Kirche gegenwärtig in einem damals
noch ungeahnten Ausmaß zu schaffen. Sie steht überdies vor großen finanziellen He-
rausforderungen. Der Blick zurück in die Geschichte wird kein unmittelbar abrufba-
res Angebot an simplen Lösungen zu Tage fördern. Er lenkt die Aufmerksamkeit je-
doch auf vergleichbare Situationen in der Vergangenheit, deren Analyse durchaus
Hinweise für die gegenwärtige Problemlage erbringen kann. Auf Säkularisierungs-
schübe folgten immer wieder Phasen zunehmender Religiosität oder kirchliche Refor-
men, welche wiederum einen gesteigerten kirchlichen Konservativismus hervorrie-
fen. Die Öffnung für moderne gesellschaftliche Anliegen, der Pakt mit dem „Zeitgeist“,
brachte schon immer die Gefahr des Profilverlustes und der schwindenden Bindung
der Menschen an die Kirche mit sich. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusam-