Seite 44 - Kirchenbuch

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K l aus Jürgens
dert er die damalige Situation:
,,Geächtet und verprügelt wer-
den, die in dieser Sache auch
nur den Mund auftun“. Aller-
dings gäbe es auch viel Un-
mut. ,,Täglich wachsen die
heimlichen Aufstände gewis-
ser Bürger, die Anstoß nehmen
an der allzu gottlosen und all-
zu strengen Bestrafung der
Evangelischen durch die Herr-
schenden. Verbreitet werden
Flugschriften gegen die Pries-
ter, und durch das alles erscheint dies wie ein Vorspiel eines zu-
künftigen Tumultes, wenn Gott es nicht abwenden wird.“ In die-
sem Sommer 1524 fand anlässlich eines Provinzialkapitels der
Franziskaner eine öffentliche Disputation statt, bei der die Heili-
genverehrung und das Messopfer gegen die lutherischen Angrif-
fe verteidigt werden sollten. In diese Disputation schaltete sich
eine Reihe von Bürgern mit ein und trieb die Mönchsprediger
durch eine gründliche Kenntnis der heiligen Schrift in die Enge.
Zu ihnen gehörte der junge Rechtsgelehrte Autor Sander
(1506 - ca. 1540), der später der entscheidende Führer der evange-
lischen Bürgerschaft werden sollte.
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In dieser Zeit kam es auf Drängen der „Unio clerici“, einem Zu-
sammenschluss der Stadtpfarrer, einschließlich des Abtes von
Ägidien und der Dekane von St. Blasii und St. Cyriaci, zu einem
Mandat des Rates, mit dem das Einführen lutherischer Schriften
verboten und der Besuch lutherischer Gottesdienste außerhalb
der Stadt untersagt wurde.
Eine besondere Bedeutung für die Reformation kam schließlich
auch den Prädikanten zu. Durch die Prädikanten wurden vor al-
lem auch die Bürger erreicht, die des Lesens unkundig waren;
und das dürfte die größere Zahl gewesen sein.
Von wann an, wo und wie viel in Braunschweig lutherisch gepre-
digt wurde, ist schwer zu sagen. Zumeist erfahren wir in den ers-
ten Jahren nur davon, wenn ein lutherisch gesinnter Prädikant
ausgewiesen wurde. Obwohl die Pfarrherren beschlossen, ihre
Abb. 3:
St. Aegidien Braun-
schweig, Kupferstich
(17. Jh.),
Fotonachweis:
Landeskirchliches
Archiv Wolfenbüttel