Seite 96 - Kirchenbuch

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Peter A lbrecht
einheitlichen Pfarrerstand mit einheitlicher Bezahlung zu formen. Dies gilt nicht für
die Lehrerschaft. Bis heute hat die von Anfang an bestehende scharfe Trennung zwi-
schen den akademisch gebildeten Lehrern des Höheren Schulwesens einerseits, und
den Lehrern der Elementarschulen andererseits Bedeutung. Die Welt des ‚Studienra-
tes’, zu der heute auch die allermeisten Berufsschullehrer gehören, unterscheidet sich
noch immer deutlich von derjenigen der Grund- und Hauptschullehrer, wobei ihrem
Umfeld auch die gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden Mittelschullehrer,
also die heutigen Realschullehrer zuzurechnen sind. Zwar gab es in den letzten Jahr-
zehnten Annäherungen, alle Bemühungen, die Gräben gänzlich zuzuschütten, schei-
terten aber. Hohen Anteil daran hatten sowohl die damit verbundenen finanziellen
Belastungen als auch das Agieren der unterschiedlichen Lehrerverbände.
Sich mit dem Schulwesen und insbesondere mit der Rolle der Lehrer zu beschäftigen,
ist besonders reizvoll, weil sich gerade im Braunschweigischen recht viele Quellen in
den Archiven und Bibliotheken des Landes, der Kommunen und auch der Kirchen
befinden. Dabei sieht sich jeder, der dies unternimmt, mit dem Problem konfrontiert,
dass eine Zusammenfassung der Archivalien fast nie zu einem vertretbaren Ergebnis
führt.
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Gerade Eingaben, die das Verhältnis Lehrerschaft und Kirche berühren, bedür-
fen einer quellenkritischen Betrachtung. Oft kann man aus den gewählten Worten
nicht direkt auf das eigentliche Anliegen der Akteure schließen, oft ist es mehr als be-
denklich, auch als zutreffend eingeschätzte Sachverhalte zu verallgemeinern. Am Bei-
spiel der sozialen Lage der Lehrer sei das kurz demonstriert: Die Lehrerstellen aller
Schularten, und das hatten sie etwa mit den Pfarrstellen und manch anderen im öf-
fentlichen Bereich gemein, waren überaus unterschiedlich dotiert. Hinzu kam, dass
es weder Zulagen für Verheiratete noch Kindergeld gab. Mancher Lehrer nagte so –
unwidersprochen von Zeitgenossen – am Hungertuche, andere verdienten mehr als
mancher Pfarrer. Einige waren froh über jede Möglichkeit zu einem Nebenverdienst,
und war er auch noch so klein, andere versuchten, sich von mit dem Amt verbunde-
nen bezahlten Nebenaufgaben zu befreien. In vielen Fällen, gerade auch im Höheren
Schulwesen, waren die Zahlungen an die nachgeordneten Lehrkräfte, die Direktoren
wurden in aller Regel angemessen entlohnt, von vornherein so gering, dass sie nur
mit vielen Privatstunden ein auskömmliches Einkommen erzielen konnten. Hinzu
kam, dass für den Schulbesuch von den Eltern Geld bezahlt werden musste. Diese
Zahlungen flossen fast immer den Lehrern direkt zu, so dass deren Einkommen von
der Zahl der Schüler abhängig war und davon, ob die Eltern auch zahlten. Dabei spiel-
te die gesellschaftlich verankerte Üblichkeit eine Rolle, dass Kinder von Armen ‚um
Gotteslohn’ zu unterrichten waren. Ein weites Feld für Konflikte, gerade auch auf
einem Dorf. Armut ist nun einmal nur bedingt eine objektivierbare Größe.
Auch ist zu bedenken, dass erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Möglichkeit be-
stand, in einen Ruhestand einzutreten. Bis dahin erfolgte die Zuweisung einer Stelle