Seite 37 - Muenzbuch

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Der Übergang zur städtischen Münzprägung
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geprägt wurden. Der Unterschied zwischen den welfischen und den kursächsischen Groschen besteht
in den Aufschriften und dem kleinen Schild innerhalb der Vorderseitenumschrift. Auf der Prägung
Wilhelms I. enthält dieser Schild den Löwen statt der sächsischen Rauten oder kursächsischen ge-
kreuzten Schwerter. Die Vorderseitenumschrift lautet übersetzt ‚Wilhelm von Gottes Gnaden Herzog
von Braunschweig und Lüneburg’, die Rückseitenumschrift ‚Groschen Wilhelms, des Herzogs von
Braunschweig und Lüneburg’. Geprägt wurden solche Münzen in den Münzstätten Eldagsen und
Pattensen.
Die Groschen Wilhelms I. wurden in das Kurfürstentum
Sachsen eingeschleust. Die meist aus Analphabeten be-
stehende Bevölkerung konnte sie von den eigenen
sächsischen Geprägen kaum unterscheiden, da man sich
vorwiegend nach den Bildtypen richtete. Die welfischen
Münzen waren von weit geringerem Feingehalt als die
kursächsischen Groschen, enthielten im Vergleich zu
diesen meist nur die Hälfte an Silber. Dies musste von offizieller Seite des Kurfürstentums als
Währungsmanipulation oder gar Betrug angesehen werden.
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Wahrscheinlich ist ein Groschen (Abb. 70)
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, der von Fiala und Welter Herzog Wilhelm II. dem
Jüngeren (1482-1495) und der Münzstätte Wunstorf zugewiesen wurde, ebenfalls die Imitation eines
Meißner Schwertgroschens durch Wilhelm I.
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2. Der Übergang zur städtischen Münzprägung
Das Münzwesen in Deutschland war aufgrund der Schwächung der Reichsgewalt seit der Stauferzeit
noch mehr zersplittert als zuvor. Außer den Welfenherzögen, den Bischöfen und vielen Abteien
prägten im spätmittelalterlichen Niedersachsen auch zahlreiche Grafen und freie Herren ihre eigenen
Münzen. Sie produzierten Münzen, um Gewinne zu erzielen, nicht mehr um Handel und Geldwirt-
schaft zu stützen. Auswärtige Währungen wurden verboten, die eigenen Münzen immer wieder ver-
rufen, das heißt aus dem Verkehr gezogen und durch neu geprägte ersetzt, die man zwangsmäßig
gegen ein Aufgeld einwechseln musste.
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Die jährlichen Münzerneuerungen, wie sie etwa für Braun-
schweig im 14. Jahrhundert bezeugt sind, brachten den Prägeherren außer dem Schlagschatz, den jeder
Münzherr beanspruchen konnte, einen zusätzlichen Gewinn, eine Art Münzsteuer ein. Die Folge des
Gewinnstrebens war eine ständige Münzverschlechterung, verstärkt durch Münzpächter und Münz-
meister, die zum persönlichen Vorteil die Münzen oftmals minderwertiger als vorgesehen, das heißt
mit verringertem Silberanteil herstellten.
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Der im Braunschweiger Land vorherrschende Hohlpfennig war nach dem schweren Braun-
schweiger Münzfuß geprägt. 12 dieser Pfennige kamen auf die Zähleinheit des Schillings, 240 Exemplare
auf ein Pfund, das aber bald von der Gewichtseinheit der Mark (ca. 233 g) abgelöst werden sollte. 360
Pfennige wurden in Braunschweig aus der Gewichtsmark Silber geprägt. Seltener sind Hälblinge und
Vierlinge, also Halb- und Viertelstücke des Pfennigs, hergestellt worden. Nach der Verrufung der
alten Prägung wurden die neuen Münzen meist etwas leichter ausgeprägt als die alten, die man ein-
schmolz, um aus dem Silber eine größere Anzahl neuer Münzen herstellen zu können. Die Braun-
schweiger Löwenpfennige wurden im Laufe des 14. Jahrhunderts nicht nur vom Gewicht her leichter,
sondern enthielten auch immer weniger Silber. Wog ein Pfennig im Jahre 1297 noch bis zu 0,72 g, so
in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts höchstens noch 0,65 g Der Silbergehalt einer Münze fiel im
Laufe des 14. Jahrhunderts von durchschnittlich 0,58 g auf 0,4 g pro Münze. Das heißt, die Münzen
wurden nicht mehr 13 
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/
2
-lötig, sondern nur noch 9
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/
5
-lötig ausgebracht, wenn man, wie damals für
die Feingehaltsangabe üblich, die Einteilung der Mark in 16 Lot anwendet.
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Abb. 70:
Herzogtum Braunschweig-
Lüneburg, Wilhelm I. der
Siegreiche, Groschen nach
Meißner Art (Beischlag),
ca.1465-1470, Münzstätte
Eldagsen oder Pattensen. –
Silber. 1,88 g. 27mm. –
Niedersächsisches Münz-
kabinett der Deutschen
Bank Hannover Inv.-Nr.
01.061.020.
Vorderseite:
+
WILHEL
°
DI
°
GRACIA
°
DVX
(= Wilhelm von Gottes
Gnaden Herzog); Blumen-
kreuz im Vierpass. In den
Winkeln CRV (Crux =
Kreuz). Oben in der
Umschrift Schild mit zwei
gekreuzten Stäben.
Rückseite:
*
GROSSVS
°
DVX
°
BRVNSWICENS
(= Groschen, Herzog von
Braunschweig); Löwe nach
links aufrecht stehend hält
einen Schild mit senk-
rechten Pfählen vor sich.