Seite 28 - Quadriga

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Rietschels Quadriga – zum Dritten
B
is zur endgültigen Aufstellung und Abnahme der gesamten
in der Region um Posen gearbeiteten Figu­ren­gruppe sollte
noch sehr viel Zeit vergehen, die unvorhergesehenen
technischen Schwierigkeiten bei der Durchführung dieser
neuerlichen Rekonstruktion warfen alle hochgesteckten Terminplanun­
gen über den Haufen. Lange Zeit musste man sich mit der kurzen
Moment­aufnahme des Quadriga-Torsos bei der Übergabe des Schlosses
an die Bürger der Stadt inmitten hochfliegender Luftballons zufrieden
geben. Geduld war nun gefragt.
Modelle, Werkstoff und Guss
Die Dynamik von Bewegung in starre Skulpturen zu übertragen stellt
hohe technische Anforderungen an Künstler und Werkstatt. Schon
das anatomisch korrekte „einfrieren“ verlangt großes zeichnerisches
Können und sorgfältigste Beobachtung. Wie verhält sich ein Pferd in
der Bewegung tatsächlich? In welcher Reihenfolge bewegen sich die
vier Beine des Pferdes? Gibt es gravierende Unterschiede zwischen den
verschiedenen Gangarten (Schritt, Trab, Galopp) und wie wirkt sich
das auf den Bewegungsablauf aus?
Um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen muss der Künstler exakt
studieren, wie der tatsächliche Bewegungsrhythmus der gewählten
Gangart abläuft, um den Augenblick präzise zu erfassen und so zu
einer natürlichen Darstellung zu gelangen.
In Zeiten von Foto und Video, von Zeitlupe und Blitz stellt sich
das alles deutlich einfacher dar – doch über derlei Mittel verfügte man
um 1860 noch nicht. Hier wird erkennbar, mit welch handwerklicher
Präzision die zeichnerische Erfas­sung erfolgen muss, um ein natür-
liches Bild der Wirklichkeit zu erzielen.
Auch ein erfahrener Reiter muss mit der im Moment festgehaltenen
Figur übereinstimmen, sie muss dem bekannten natürlichen Ablauf
der Bewegung entsprechen. An den Hofreitschulen in Wien oder im
nahen Bückeburg kann man übrigens sehr genau erfahren, welch um-
fangreiches Bewegungsreper­toire bei entsprechender Kultivie­rung dem
Pferd in den verschie­denen Gangarten zur Verfügung steht.
Aus der akribischen Zeichnung entstehen anschließend Modelle bis
hin zum 1:1 Gipsmodell, danach die einzelnen Formen der Plastik,
Kunstreiter der Bückeburger Hofreitschule
im historischem Kostüm vor dem Triumphtor.