Seite 25 - Quadriga

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Die Herstellung der ersten großen Quadriga von Ernst Rietschel
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die herzogliche Herrschaft bezogene, braun-
schweigische Spezifizierung des antiken
Grundzugs der Lenkerfigur.
Ein Persönlichkeitsprofil hier herauszu-
arbeiten, entfiel gänzlich. Bei den Pferden
und dem Wagen reduzierte sich eine Cha-
rakterisierung sogar vollständig auf die he-
raldische Ausstattung.
So bildet Mitte des 19. Jahrhunderts der
klassische Spätling der Braunschweiger
Quadriga als Verkörperung einer geistigen
Idee – einer kraftvollen monarchischen
Herrschaft mit großer Herkunft – noch ein-
mal eine romantische Skulptur
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, die letzte,
die Rietschel schaffen sollte.
Annahme des Tischmodells
Am 15. April 1856 hatte Rietschel den ferti-
gen Modellabguss der kleinen Quadriga
nach Braunschweig an seinen späteren Ver-
trauten im Projekt, an Georg Howaldt, ab-
geschickt.
Am 17. April traf er dort selbst ein, um
mögliche Transportschäden vor der Präsen-
tation am 25. April, dem Tag des silbernen
Thronjubiläums, noch beheben zu kön-
nen.
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Das Tischmodell mit der Brunonia als
Braunschweiger Patronin von Stadt, Her-
zogtum und regierendem Herzog wurde
von Wilhelm am 28. April 1856 schließlich
gutgeheißen. Die Entscheidung des Herzog
für die Ausführung als große Quadriga fiel
auch bald danach.
Der Modellabguss mit den Maßen von ca.
65 cm Höhe, 40 cm Breite und 70 cm Tie-
fe
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hatte später gewiss viele Jahre im Resi-
denzschloss gestanden. Leider wird in den
Textquellen der Abguss nirgendwo erwähnt.
Zu unbekannter Zeit, aber sicherlich vor
dem Brand von 1865, der das Schloss zu
zwei Dritteln vernichtete, gelangte er in das
nachmalige Herzog Anton Ulrich Museum
und um 1933 in das heutige Braunschweigi-
sche Landesmuseum.
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Dort musste der
Modellabguss als Kriegsverlust abgeschrie-
ben werden, denn er ist heute nicht mehr
nachweisbar.
Die Herstellung der ersten großen
Quadriga von Ernst Rietschel
Rietschels Sorgen
Seit der Arbeit an dem kleinen Modell wur-
de die Planung der großen Quadriga
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von
Unbehagen begleitet. So bat Rietschel schon
im November 1855 Carl Schiller um genaue
Aufmaße des Braunschweiger Schlossplat-
zes
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, um die Fernwirkung und die Propor-
tion der großen Gruppe richtig erfassen zu
können. Er sorgte sich um die passende
Höhe der Pferde, die er noch im Frühjahr
1856 wie Ottmer „13 Fuß hoch“, aber ein
Jahr später „14 Fuß hoch ausführen“ wollte.
Sorgen bereiteten ferner die im Vergleich
zu Ottmers Helios mit nur ca. „10 Fuß
Höhe“ wesentliche größere Brunonia von
„16 Fuß“ (= 4,56 m) Sollhöhe.
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Die Stand-
f läche für die Quadriga auf dem Schloss
schien Rietschel zu klein bemessen zu sein
und ihr zukünftiges Gewicht hingegen zu
groß. Dankbar nahm er daher das Angebot
eines eisernen statt eines hölzernen Unter-
baues im Dezember 1855 an.
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Doch wer
sollte die Quadriga überhaupt herstellen,
wer konnte diese herkulische Aufgabe
handwerklich bewältigen?
Treibarbeit statt Bronzeguss – Georg
Howaldt
Die Frage nach dem Gewicht der großen
Quadriga wurde dadurch entschärft, dass
der Herzog und die auftraggebende Lan-
desversammlung noch vor der Annahme
des Tischmodells eine richtige und zu-
kunftsweisende Entscheidung getroffen
hatten: „die Ausführung [der großen Quad-
riga] solle … nicht in Erz, sondern in Kup-
ferblech erfolge[n]“.
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Das stützende Eisen-
gerüst und die darauf genieteten
Kupferplatten ergaben für den Schlossmit-
teltrakt ein wesentlich geringeres Gewicht
als ein Bronzeguss der Quadriga.
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Das war eine folgenschwere Veränderung
der Quadrigaherstellung, zu der Rietschel