Seite 31 - Quadriga

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Die Herstellung der ersten großen Quadriga von Ernst Rietschel
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dentlich begrüßt. Auch Howaldt schrieb be-
ruhigend an Rietschel: „es ist alles davon be-
geistert“.
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Rietschel war jedoch, wegen
persönlicher Unsicherheit, von der Qualität
seiner Pferde nicht restlos überzeugt. Im
Frühjahr 1858 hatte er gehofft, die Pferde-
entwürfe bald abschließen zu können, nun
wiederholte sich die gleiche Verzögerung
wie im Vorjahr. Obwohl die Symmetrie der
Pferde Rietschels Modellierarbeit reduzierte,
trafen die letzten beiden Abgüsse bei Ho-
waldt erst im August 1858 ein.
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Die von Rietschel selbst verursachte
Überlastung durch seine Vorbereitung des
großen Wormser Reformationsdenkmals
(1858-1863) und seine sich in Schüben ver-
schlechternde Gesundheit mögen die Grün-
de für die Verzögerungen bei der Herstel-
lung der Pferdegipse gewesen sein.
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Um
das Projekt aber voranzutreiben, begannen
bereits nach der Einrichtung der Werkstatt
im Juli 1858 Georg Howaldt und seine be-
gabten Söhne August-Friedrich (1838-
1868)
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und Herrmann (1841-1891) noch
vor der Vervollständigung der Pferdemodel-
le die Treibarbeit an dem ersten Pferd und
die Anfertigung der hierzu nötigen Eisen-
skelettformen. Davon berichtete im Dezem-
ber 1858 Schiller zuversichtlich an Rietschel:
„Ein lautes Gebläse, ohrenbetäubendes
Hämmern“ und: „das halbe erste Pferd [sei]
fertig getrieben, sorgfältiger als ein Guss.
Keine Nieten oder Nägel [seien] zu sehen“.
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Nur ein halbes Jahr später, im Juni 1859, ver-
kündete Schiller seinem Freunde, „dass ein
Pferd fast fertig [sei]“.
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In Braunschweig
ging also die Arbeit gut voran.
Das Modell des Triumphwagens
Der Wagen des 1:3-Modells wird wie der
vom Tischmodell
(Abb. 23; 26)
in den Brie-
fen nur selten erwähnt, zumeist nur im Zu-
sammenhang von Kosten, Maßen und dem
„Wappen vorne“.
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Dabei ist der Wagen
nach der Brunonia das größte Stück des
Modells
(Abb. 36; 62)
. Vergleicht man das
kleine und das große Wagenmodell mitein-
ander, gleichen sich ihre Grundformen: die
doppelt bogigen Seitenwangen – beim
1:3-Modell ohne Handgriffe –, die Abfolge
des oberen Abschlussprofils und die Anord-
nung von heraldischen Zeichen auf der
Stirnseite. Lediglich der antikische Akan-
thusschmuck
(Abb. 28; 36; 62)
ist beim gro-
ßen Wagen üppiger ausgefallen. Sonst glei-
chen sich die symmetrischen Ranken, die
dem großen Blattkelch auf dem Wagen-
scheitel entspringen und damit noch offen-
sichtlicher als beim Tischmodell Wachs-
tum und Kraft der Welfenherrschaft
verkörpern. Wie der kleine ist also auch der
große Wagen ein Triumph- und kein Streit-
wagen. Daher rahmt auch ein Lorbeerkranz
den Schild, und er trägt die Herzogskrone.
Zwei auffällige Veränderungen sind den-
noch erwähnenswert. Aus dem Rundschild
für das braunschweigische Wappenpferd
wurde beim 1:3-Wagenmodell eine landläu-
fige, oben bogige, unten spitze Wappenform
(Abb. 23; 36; 62)
. Das mag noch akzeptabel
sein, beim 1:3-Modell jedoch fehlt dem
Schild das Wappenpferd! Über die Gründe
kann man nur mutmaßen. Rietschels zu-
nehmende Schwächung – bereits im Juni
◀ ◀
Abb. 36:
Ernst Rietschel, Triumph­
wagen des Originalmodells
der Quadriga, Maßstab
1:3, Höhe 130 cm, Länge
155 cm), getönter Gips, um
1858, Dresden, Skulptu­
rensammlung.
Abb. 37:
Ernst Rietschel, Rad des
Triumphwagens aus dem
Originalmodell der
Quadriga, Maßstab 1:3
(Durchmesser 96,5 cm),
getönter Gips, um 1858,
Dresden, Skulpturen­
sammlung.