Seite 6 - Quadriga

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Einführung
Einführung
Für Stadt und Land Braunschweig war
2008 ein ganz besonderes Jahr: die neue
Quadriga des wiederaufgebauten Residenz-
schlosses wurde fertiggestellt und der Öf-
fentlichkeit übergeben. Das erhoffte und
unerwartet große Interesse bei der End-
montage in den Oktobertagen 2008 bestä-
tigte allen Projektbeteiligten, die die Her-
stellung der Quadriga über fünf Jahre
hinweg begleitet hatten, dass die Entschei-
dung richtig gewesen war, auch das neue
Residenzschloss wieder mit der Quadriga
zu krönen.
Residenzschloss und Quadriga wurden
im 2. Weltkrieg in unterschiedlichen Graden
beschädigt und letztlich durch die Abbruch-
entscheidung im Jahre 1960 endgültig zer-
stört. Familie und Firma Richard Borek und
eine kleine Gruppe von Beratern, Künstlern,
Ingenieuren und städtischen Gremien er-
möglichten aber seit 2003, seitdem sich der
Wiederaufbau des Braunschweiger Resi-
denzschlosses in immer deutlicheren Kon-
turen abzeichnete, die Wiederherstellung
der größten Quadriga Deutschlands und
sogar Europas. In der Zeit ihres Entstehens
war sie sogar weltweit das größte Kunstwerk.
Alle Beteiligten wussten, dass die neue
Schlossquadriga der Stadt und dem Braun-
schweiger Land ein wachsendes Selbstbe-
wusstsein verschaffen würde.
Natürlich schlug der Projektgruppe Ab-
lehnung wegen der angeblich schieren
Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens
entgegen. Auch Rückschläge mussten ein-
gesteckt werden, trotz allem blieb die Pro-
jektgruppe ihrem Ziel treu, das Residenz-
schloss mit der dritten Quadriga zu krönen.
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen der
Beginn des Projekts mit der Wiederentde-
ckung des Quadrigamodells von Ernst Riet-
schel in Dresden, die Möglichkeiten der Mo-
dellvergrößerung in den Maßstab 1:1,
Grundlagen der Neugestaltung, die Vorzüge
des Bronzegusses, die schwierige Umset-
zung des Vorhabens in den Jahren 2006/08
und der glückliche Ausgang imHerbst 2008.
Eine Bedingung war allen Projektbetei-
ligten klar: als künstlerische Vorlage durfte
nur die erste Quadriga von Ernst Rietschel
aus den Jahren 1857 bis 1863 dienen. Die
zweite, etwas kleinere Schlossquadriga von
1866/1868, die bis 1955/60 existierte, sollte
nur bei Proportionsfragen zur gesamten
Gruppe und bei der Nachbildung von den
Details herangezogen werden, die dem
Dresdener Modell Rietschels fehlten.
Das Kuriosum, dass der neuen Quadriga
zwei Quadrigen vorausgingen, wird in den
beiden kunsthistorischen Kapiteln erläutert.
Die Entwicklung der Quadriga von Ottmers
Planungen zu Ernst Rietschels Tischmodell
und 1:3-Modell bis zu Howaldts Ausführung
wird darin minutiös dargestellt. Auch zu
dem künstlerischen Verhältnis Rietschels
zu Howaldt kann nun Grundlegendes ge-
sagt werden. Ebenso fehlt nicht die Erklä-
rung, warum die Braunschweiger im 19.
Jahrhundert überhaupt eine Landespatronin
erstrebten und welche geschichtlichen und
künstlerischen Kenntnisse aus der Welt des
antiken Humanismus Ernst Rietschel zu
Rate gezogen hatte.
Mit diesem Buch wird Neuland betreten.
Die Forschung zur Bildhauerei des 19. und
20. Jahrhunderts erwähnt ausgerechnet
ihre größten Figurengruppen, die Quadri-
gen, nur am Rande. Die Arbeit versteht sich
daher als ein erster Lückenschluss und setzt
die Forschungen des Autors zu der Braun-
schweiger Quadriga fort, die anlässlich der
Ausstellungen zu Ernst Rietschels Werk
2004 in Dresden und in Braunschweig be-
gonnen hatten. Im Vorfeld der Vollendung
der dritten Quadriga im Oktober 2008 wur-
de die intensive Beschäftigung mit dem
Thema erweitert, woran das neue, umfas-
sende Buch zur dritten Quadriga nun an-
knüpft.
Bernd Wedemeyer,
Braunschweig im November 2011