Seite 13 - Raabe_inspiriert

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Martina Bethe-Hartwig
Jemima
Blassblau spannte sich der Sommerhimmel über das
Haus aus grauem Gestein. Eine breite Treppe führte
zur zweiflügeligen Eingangstür, deren Eichenholz
vom Alter gebleicht und rissig war. Die hohen Fens-
ter des zweigeschossigen Gebäudes, obwohl noch
ohne Schaden, wirkten stumpf. Und auch die Schei-
ben in den kleinen Gauben, die das Walmdach wie
ein Kranz umgaben, spiegelten nur spärlich das
Sonnenlicht.
Aus der Seite des Hauses wuchs eine Backstein-
mauer, lief ein Stück auf den Wald zu und bog im
rechten Winkel nach hinten ab.
Esther Jemima Steinmann nahm den Fuß vom
Gaspedal, schaltete vom dritten in den zweiten
Gang und steuerte den Polo die letzten Meter der
sandigen Auffahrt hinauf. Kurz vor den Stufen, die
zum Eingang des Hauses führten, schaltete sie den
Motor aus. Knirschend kam der Wagen zum Stehen.
In die Stille, die mit einem Mal im Fahrgastraum
stand, drängten durch den Schlitz ihres hinteren
Fensters die schläfrigen Mittagsgeräusche des Laub-
waldes. Mit einem tiefen Atemzug lehnte sie sich
auf dem Sitz zurück. Ihr Blick wanderte zu den Bu-
chen, Eschen und Eichen, die das Haus von allen
Seiten wie ein Schutzwall umgaben. Sie hob das