Seite 18 - Raabe_inspiriert

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Ihr Blick fiel auf die Uhr an der Wand gegenüber.
Kurz vor sechs Uhr morgens war es. Sie beschloss,
aufzustehen und war froh, ganz in Ruhe schon mal
den Tag beginnen zu können. In einer halben Stun-
de herrschte wieder reges Treiben. Die Kinder wür-
den nach mehrmaligem Wecken schließlich noch
müde und etwas zerzauselt die Treppe herunter
kommen und sich noch halb schlafend ihre Bröt-
chen schmieren. Bis sie schließlich das Haus verlie-
ßen, um zur Schule zu gehen, war der allgemeine
Zustand etwas angespannt, viele Fragen gab es noch,
mancherlei Gesuche und auch Geschimpfe. Das
schien sich jeden Tag zu wiederholen.
Die Tür war ins Schloss geklappt, als der Blick der
jungen Mutter sich auf den Fernseher richtete. Die
Nachrichten weckten die Aufmerksamkeit der Frau.
Es war von Naturkatastrophen die Rede, von neuen
Plänen im Gesundheitswesen, von Demonstrationen
der Rechtsradikalen im Lande, gegen die sich ein Auf-
gebot Andersdenkender in Bewegung setzen wollte.
Wie oft hatte sie mit ihrem Mann darüber disku-
tiert, wie gefährlich, wie unberechenbar diese Men-
schen der rechtsradikalen Szene in Deutschland sei-
en. Wie oft hatten sie aus den Medien erfahren
müssen, dass wegen derer extremen und radikalen
Ansichten und Gewaltbereitschaft Menschen ver-
letzt oder gar getötet wurden. Noch heute bei uns in
Deutschland. Menschen anderer Hautfarbe, anderer
Staatsangehörigkeit, jüdische Mitbürger.
Vor kurzem war eine Synagoge in Brand gesteckt
worden. Von welchen Menschen welcher politi-
schen Gesinnung, war noch nicht geklärt. Es gibt Ju-