Seite 25 - Raabe_inspiriert

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MariAnne Conradi
Prolog
Wenn er sich jetzt wieder verhaspelt, kriege ich Ma-
genkrämpfe. Ich spüre ja schon ein deutliches Zie-
hen oberhalb meines Bauchnabels. Schnell stelle
ich mir vor, wie Torben die Zunge aus dem Mund
wächst und er mit seinen Quadratlatschen darauf
tritt und taumelt. Ich lache ein bisschen in mich hi-
nein. Es gibt wohl wenig Wirksameres, kritische Si-
tuationen zu entschärfen. Sie rauschet, sie perlet,
die höhnlische Quelle, der Busen wird ruhig, das
Auge wird helle!
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Vortrefflich ist auch die Methode,
sich für jemanden alberne Namen auszudenken. So
hält man die Menschheit auf verträgliche Distanz,
und obendrein bereitet es Vergnügen, harmlos aber
göttlich.
Während mir dies durch den Kopf geht, gleitet
Torben in seiner ganzen Höhe mal Breite mal Tiefe
auf die Gartenbank und stottert den Text daher. Wie
es ihm gelingt, eine solch motorisch-sprachliche
Gegenbewegung zu vollbringen, ist mir ein Rätsel.
Überhaupt, bei seinem Anblick frage ich mich stets:
Was bloß beabsichtigte die Natur mit diesem Kör-
per? Das textile Drumherum macht es nicht besser.
Beispielsweise seine Schuhe. Klobige Dinger, aus
1 Frei nach „Dithyrambe“ von F. Schiller