Seite 88 - Raabe_inspiriert

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kann ich gleich als Raabe auf die Bühne steigen.
Nein, nein, Guillaume Corvus, wenn schon, denn
schon. Und aus Altershausen! Das wird jetzt noch
nicht mit mir in Verbindung gebracht.
Auf zur Dichterschlacht! Gretchen, fass’ die
Mama an und kommt.
Wie spät, Bertha, war es, als wir zu Bette kamen?
Es war schon der neue Tag, Wilhelm, von Sankt Ma-
rien schlug es zwei. / Armes Gretchen, wie tapfer sie
durchgehalten hat bei Lärm, Schnapsdunst und Ta-
baksqualm. Nun schläft sie selig in der Sonne, der-
selben, die mir den Kopf sprengen will. Rück die
Sitze in den Schatten und lies mir aus den Nach-
richten vor. Es dürfte Deftiges darin zu finden sein.
„Husum, Sonnabend, 10. August 1867: Der dritte
Dichterwettstreit endete mit einem Eklat. Im alten
Speicher am Hafen hatten sich gestern Abend zwölf
Schreiberlinge eingefunden, um sich einem vier
Dutzend starken Publikum zu stellen. Der erste
Kandidat, ein dürrer, langer, reichlich linkischer
Mensch, trug aus einer Novelle überraschend fröhli-
chen Inhalts vor, zu der er sich Anregung aus den
Pappe’schen Lesefrüchten geholt hatte. Die zuge-
standene Lesezeit ist mit 5 Minuten so knapp be-
messen, dass die Kunst darin besteht, sich kurz zu
fassen und auf den Kern zu kommen. Das gelingt
nur wenigen. Auch diesem gelang es nicht. Eine
Sackpfeife fuhr ihm ohne Gnade in die Worte und
der arme Poet musste gesenkten Hauptes abtreten.
Die Bewertung durch das Publikum erfolgte durch
Hochhalten einer Nummer zwischen 1 und 5, wo-
bei 5 das höchste Lob bedeutet. Der Novellist kam