Seite 51 - Topographie_der_Erinnerung

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STADT WOLFSBURG
Industrieansiedlung und Stadtwerdung
im Nationalsozialismus
Wie der Bau des Volkswagenwerks fiel auch die Stadtgrün-
dung Wolfsburgs in das Jahr 1938. Den zwischen dem
Schloss Wolfsburg und dem Klieversberg, zwischen den
Orten Fallersleben und Vorsfelde gelegenen Flecken im
Landkreis Gifhorn veränderten die Industrieansiedlung und
die Anfänge einer NS-Musterstadt in seiner Struktur und
Gestalt nachhaltig: Das sozialutopische Projekt machte aus
den Orten am Mittellandkanal quasi über Nacht einen
international beachteten Industriestandort. Doch die natio-
nalsozialistische Diktatur etablierte sich in den die heutige
Stadt Wolfsburg bildenden Kommunen im Januar 1933.
An die politische Macht war die NSDAP aber bereits
Ende der Weimarer Republik gelangt. Nachdem 1929/30
erste Ortsgruppen in den Landgemeinden Ehmen, Mörse,
Sülfeld sowie in Fallersleben und Vorsfelde und 1931 in
Brackstedt und Velstove entstanden waren, erzielte die
NSDAP bei den Juliwahlen 1932 mit mehr als 68,1 Prozent
der abgegebenen Stimmen im Landkreis Gifhorn Spitzen-
werte. In zahlreichen Ortschaften, etwa in Heiligendorf und
Barnstorf, lag der Stimmenanteil der NSDAP sogar über 90
Prozent. Die ländlich geprägte Region bildete also schon in
den Weimarer Jahren auch im Reichsmaßstab eine Hoch-
burg der Hitler-Partei. In den Wahlergebnissen spiegelte
sich zum einen die tiefe Strukturkrise der Landwirtschaft
wider. Die traditionell konservativ orientierten Menschen
suchten nach einem politischen Ausweg aus der wirt-
schaftlichen Depression. Zum anderen zeigte sich auch
hier, dass in protestantischen Regionen der Stimmenanteil
der NSDAP überdurchschnittlich ausfiel. Einzig die bis
1925 durch den Kalibergbau geprägte Gemeinde Rothehof-
Rothenfelde, wo die SPD als Reflex der älteren Arbeitertra-
ditionen 56 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich
vereinigte, machte eine Ausnahme.
Vor diesem Hintergrund setzte der 30. Januar 1933 auf
lokaler Ebene keinen wesentlichen politischen Einschnitt.
Die nach dem Reichstagsbrand intensivierte Verfolgung be- 15