Seite 23 - Voigtlaender+Sohn

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erinnerte sich lebhaft an diese dramatische Zeit:
„Von dem Gürtel der
Vorstädte aus sahen wir nun die Beschiessung der inneren Stadt und die
um die Geschütze und Wachfeuer lagernden Truppen der verschieden-
sten Völkerschaften, darunter auch Kroaten, die berüchtigten Rotmän-
tel. Eine sorgenvolle Zeit auch für meinen Stiefvater,
(…).
Der silbern
glänzende Helm mit rotem Rossschweif und das ‘deutsche Schwert’ hin-
gen längst im Schranke.“
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Daß Voigtländers Sorge nicht unberechtigt
war, zeigt das Schicksal seiner politischen Weggefährten. Viele wurden
im Verlauf der Gegenrevolution zu Gefängnisstrafen verurteilt, der
Befehlshaber der Bürgergarde, Messenhauser, wurde, wie viele andere,
hingerichtet. Da zudem offen war, wie sich die politischen und wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen in Österreich weiterentwickeln wür-
den, war eine Standorterweiterung naheliegend. Hier bot sich schon
wegen der bereits bestehenden familiären Beziehungen und sozialen
Kontakte Braunschweig an. Die Residenzstadt des Herzogtums Braun-
schweig hatte noch einen anderen Vorzug, der für Voigtländer als
Unternehmer von Bedeutung war. Gegenüber dem Magistrat der Stadt
betonte er: „(…)
die günstige Lage Braunschweigs inmitten des deut-
schen Eisenbahnnetzes
(…).“
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Gegenüber Wien bot Braunschweig
durch die größere Nähe zu den deutschen Überseehäfen damit einen
Standortvorteil hinsichtlich des Vertriebs der Produkte.
Das Genehmigungsverfahren hat in der Literatur, die sich mit der Fir-
mengeschichte befaßt, zu einigen Irritationen geführt. Folgt man der
Darstellung Ilse Erdmanns und anderer Autoren, die sich auf sie bezie-
hen, so habe es bis 1852 gedauert, bis schließlich die Konzession bewil-
ligt worden war. Diese Sichtweise wurde im Begleitheft des Städtischen
Museums Braunschweig zur Ausstellung der Geschichte Voigtländers in
Braunschweig übernommen:
„Aus heutiger Sicht überraschend, zögerte jedoch der Braunschwei-
ger Magistrat, dem Unternehmer aus Wien die Konzession zu erteilen.
Drei Jahre ließ sich die Verwaltung Zeit mit der Entscheidung, 1852
erhielt Voigtländer endlich die Konzession. Voigtländer hatte als Unter-
nehmer nicht die Zeit, auf die Entscheidung der Stadt zu warten, pach-
tete das ‘Liebausche Grundstück’ vor dem Augustthor und begann mit
der Fertigung.“
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Überraschend ist aus heutiger Sicht vor allem, daß diese Darstellun-
gen die rechtlichen Rahmenbedingungen außer acht lassen. Die Betrei-
bung eines Gewerbebetriebs war auch damals nicht ohne Erlaubnis
möglich; dazu kommt, daß die Kommunen stark darauf achteten, daß
den ansässigen Gewerbetreibenden keine Verdienstmöglichkeiten durch
Neuansiedlungen entgingen. Voigtländer nahm auf diesen Aspekt in sei-
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