Seite 40 - Voigtlaender+Sohn

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vollkommen im Sinne der Unternehmenstradition – eher an einem lang-
samen und kontinuierlichen Wachstum als an einer zügigen, möglicher-
weise risikobehafteten Expansion interessiert war.
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Ein „steady and
constant development“ der Firma war eine zentrale Leitlinie der
Firmenphilosophie.
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Diese schloß allerdings ein schnelles Reagieren auf einen Wandel in
der Technik und im Wettbewerbsumfeld keineswegs aus. Denn zu den
Stärken Friedrich v. Voigtländers gehörte eine außerordentliche Reak-
tionsfähigkeit auf die Möglichkeiten, die sich durch Fortschritte in der
Herstellung des optischen Glases ergaben. Dem Glaswerk Schott in Jena
war es in kurzer Zeit gelungen, neue Glasschmelzungen für Linsen
zunächst im Bereich der Mikroskope und astronomischen Fernrohre,
dann auch für photographische Objektive herzustellen. Voigtländer war
sich der Bedeutung dieses Fortschritts in der Glasherstellung vollkom-
men bewußt. Im August 1892 schrieb er Hans Sommer:
(…)
. Welche
Umwälzungen in der Optik, besonders der photographischen durch
die Einführung der neuen Jenaer Gläser vor 3 Jahren stattgefunden
haben, wirst Du wohl gehört haben. Alles frühere ist über den Haufen
geworfen
(…)
.“
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In der Tat waren der Firma Voigtländer & Sohn am Anfang des Jah-
res 1888 die optischen Messungen der neuen Spezialgläser mitgeteilt
worden, woraufhin hier sofort umfangreiche Berechnungen und Versu-
che unternommen wurden, um Aufschlüsse über die Vorzüge der neuen
Glassorten zu gewinnen. Die Ergebnisse entsprachen den Erwartungen,
so daß Voigtländer & Sohn sofort all diejenigen Objektive veränderte,
die durch eine Verwendung der Jenaer Gläser merkbar verbessert wer-
den konnten. Über die Verfahrensweise wurden Interessenten in einem
Katalog der Firma ausführlich informiert:
„Da die Oeffnungsverhält-
nisse, d. h. die relativen Oeffnungen, durch welche die Abtheilungen
unserer Objective bestimmt sind, sich bewährt haben, so behielten wir
sie bei, suchten also mit der Festhaltung der theoretischen Lichtstärke
die übrigen Eigenschaften zu verbessern. Insbesondere wurde ermög-
licht, die Schärfe der Zeichnung zu erhöhen, vermöge der genaueren
Zusammenlegung der Farben und der geringeren Kugelabweichung
durch alle Breiten, ferner aber bei jeder Gattung – also unter Beibehal-
tung der Lichtstärke – den Gesichtsfeldwinkel bedeutend zu vergrös-
sern, ohne doch die Ebenheit des Bildes zu beeinträchtigen. Dazu
kommt, dass durch die grössere Durchlässigkeit der neuen Gläser für
das Licht die Lichtstärke erhöht ist. So glauben wir, bei jeder Gattung,
also für jedes bestimmte Oeffnungsverhältniss den grössten Gesichts-
feldwinkel, also bei kürzester Brennweite die grösste Platte, mit den
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