Seite 7 - Zwangsarbeit

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Vorwort
Im Zweiten Weltkrieg arbeiteten Millionen von ausländischen Arbeiterinnen und Arbei-
tern in deutschen Betrieben für die Kriegswirtschaft. Grundsätzlich waren sie gegenüber
den deutschen Arbeitern schlechter gestellt und einem menschenverachtenden Zwangs-
arbeitssystem unterworfen, das Lebensräume und Arbeitsbedingungen nach rassisti-
schen Kriterien zuteilte. Dabei hat das Land Braunschweig eine unrühmliche Rolle
gespielt. Das Gebiet zwischen Salzgitter, Braunschweig, Wolfsburg und Peine bildete
einen Schwerpunkt der damaligen Rüstungsindustrie im Deutschen Reich. Die Zahl der
Zwangsarbeiter lag hier besonders hoch. Nur so konnten bis in die letzten Kriegswochen
hinein Waffen und Munition produziert werden.
Ende der neunziger Jahre ergab sich für die Region zwar eine gute Forschungslage
für die beiden herausgehobenen Industriekomplexe Salzgitter und Wolfsburg, desgleichen
für den südöstlichen Teil des Landes, ergänzt um Einzelstudien für die Stadt Braun-
schweig. Was fehlte, war eine systematische Darstellung, die für das Land Braunschweig
Zwangsarbeit, Kriegswirtschaft, Rüstungsproduktion und Arbeitsverwaltung während des
Zweiten Weltkrieges erforscht und aufeinander bezogen hätte. Eine derartige Forschungs-
lücke zu schließen war um so notwendiger, als die Kriegswirtschaft im Braunschweiger
Land reichsweite Bedeutung hatte. Deshalb entschlossen sich 1996 in Gesprächen mit
Herrn Axel Richter von der STIFTUNG NORD/LB · ÖFFENTLICHE und Herrn
Roger Reckewell, Leiter der Außenstelle Wolfenbüttel des Arbeitsamtes Braunschweig,
der Unterzeichnete als Leiter des Niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel und
Vorsitzender des Braunschweigischen Geschichtsvereins und Herr Akademischer Direk-
tor Dr. Hans-Ulrich Ludewig für das Historische Seminar der TU Braunschweig, eine
solche grundlegende regionale Fallstudie zu betreuen. An der Konzeption des Arbeits-
vorhabens und dessen Durchführung waren außerdem auch die Kolleginnen und Kolle-
gen des Staatsarchivs beteiligt.
Im Jahr 2000 hat Frau Gudrun Fiedler das Referat Neuzeit im Staatsarchiv über-
nommen und seitdem in dieser beruflichen Funktion und als Vorstandsmitglied des
Braunschweigischen Geschichtsvereins die im Staatsarchiv laufende Betreuung des For-
schungsteams und die praktische Organisation des Projekts in beispielhaftem Einsatz
geleitet. Ihrem Engagement und der guten Zusammenarbeit zwischen ihr und Herrn
Ludewig sowie der engen Kooperation der beteiligten Institutionen ist das erreichte
Ergebnis besonders zu verdanken.
Der Auftrag an das Forschungsprojekt lautete, für das ehemalige Land Braunschweig
eine verlässlich und korrekt aus Quellen erarbeitete Dokumentation und Analyse der
Kriegswirtschaft und des als integralen Teil in ihr verankerten Zwangsarbeitssystems zu
erarbeiten und der Forschung zur Verfügung zu stellen. Dabei sollte das Spektrum zwi-
schen zentralen Vorgaben und möglichen Spielräumen bei ihrer lokalen Umsetzung aus-
gelotet werden. Das individuelle Schicksal der dem deutschen Zwangsarbeitssystem
unterworfenen Fremdarbeiter in den Betrieben und im Kriegsalltag sollte in seiner wider-
sprüchlichen Bandbreite, in realer Analyse und auch in seiner ganzen Härte zur Sprache
kommen.