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              herzogliche Familie mit dem verbliebenen Hofstaat in die neue Residenz
            
            
              umgezogen.
            
            
              Die Löwenstadt beherbergte auch den Sitz einer Niederlassung der dem
            
            
              Fürsten von Thurn und Taxis im fernen Regensburg unterstehenden Kaiser-
            
            
              lichen Post. Als deren Direktor verdiente der Herr des Hauses, Ferdinand
            
            
              von Münchhausen, seinen Lebensunterhalt.
            
            
              Der Besucher von der Weser war am Nachmittag zweispännig vorgefahren,
            
            
              von Ferdinand mit offenen Armen willkommen geheißen und in die für
            
            
              Gäste vorgesehene Kammer geführt worden. Dort hatte er sich ein wenig
            
            
              erfrischt und hernach dem von einer rundlichen, älteren Dienstmagd ser-
            
            
              vierten Nachtmahl zugesprochen, ‚mit großem Lob für den Koch!‘
            
            
              ‚Wir müssen uns ein wenig bescheiden, nach des Vaters Tod,‘ bekannte der
            
            
              Hausherr mit einem Seufzer. ‚Um ehrlich zu sein – meine gesamte Diener-
            
            
              schaft besteht aus dieser guten Alten.‘
            
            
              ‚Du wirst enttäuscht sein von Wolfenbüttel, mein lieber Cousin!‘ hatte er vor
            
            
              gut einer Woche seiner brieflichen Einladung nach Bodenwerder hinzuge-
            
            
              fügt. ‚Das Schloss ist leer geräumt. Außer dem Hofkaplan und einem Biblio-
            
            
              thekar lässt dort niemand mehr einen Furz. Die kahle Pracht gleicht einer
            
            
              gealterten Hure, die mit dem Verlust ihrer Liebhaber auch einen letzten Rest
            
            
              von Sinnlichkeit eingebüßt hat.‘
            
            
              ‚Zu meiner Zeit war selbst ein halbwüchsiger Bengel vom Lande nicht dar-
            
            
              auf angewiesen, das Handwerk der Liebe im Hurenhaus zu erlernen,‘
            
            
              schwelgte Karl Friedrich in Erinnerungen. Der Schalk des Spötters blitzt
            
            
              aus seinen lebhaften Augen. ‚Bei Hofe wurden wir adligen Pagen kaum bes-
            
            
              ser behandelt als Lakaien. In den Stadtpalais der guten Gesellschaft von
            
            
              Wolfenbüttel dagegen kamen Hunger, Herz und Hoden stets auf ihre Kos-
            
            
              ten. Was für ein Leben in Saus und Braus! Wenn man sich nur von Zeit zu
            
            
              Zeit findig dem Dienst im Schloss zu entziehen wusste!‘
            
            
              ‚Warum hast Du Dich dann nach Russland schicken lassen – aus Abenteu-
            
            
              erlust?‘
            
            
              ‚Das auch. Aber Du kennst die traurige Geschichte vom Prinzen Anton Ul-
            
            
              rich, dem Jüngeren seines Namens und Bruder Eures nach wie vor regieren-
            
            
              den Herzogs Karl.‘ Um das Gedächtnis aufzufrischen, zwirbelte Karl Fried-
            
            
              rich an seinen Bartspitzen. ‚Ich trat meinen Dienst in Wolfenbüttel unter
            
            
              Herzog Ludwig Rudolf an. Bekanntlich hatte er als letzter der Nachkom-
            
            
              men Augusts des Jüngeren ausschließlich Töchter in die Welt gesetzt. Als
            
            
              Ludwig Rudolf 1735 starb, gelangte ein Vetter aus der Nebenlinie Bevern
            
            
              zur Herrschaft. Das war zunächst Ferdinand Albrecht II. Nach wenigen
            
            
              Monaten stürzte er tot vom Pferd. Ihm folgte sein ältester Sohn – Karl. Des-
            
            
              sen jüngere Brüder hatten daheim kaum Aussicht auf höhere Weihen. Der
            
            
              gute Anton wurde als Heiratskandidat für die Nachfolgerin der Kaiserin
            
            
              Anna auf dem Zarenthron gehandelt. Er war sechs Jahre älter als ich, ein