Seite 127 - Fallersleben

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Das Uniformierte Schützenkorps und das Schützenfest
nicht König wurde, weil der König zum König pro-
klamiert wurde. Auf den ersten Blick ein Verwirrspiel,
das aber recht leicht zu entwirren ist. Es geht um das
Jahr 1861 und den Fallersleber Bürger August Süschel.
Damals war es üblich, auch drei „freie“ Schüsse auf die
Zielscheibe für den Landesherren abzugeben. Das war
König Georg V. von Hannover – ein Monarch, der sein
Augenlicht verloren hatte. Einer von Süschels freien
Schüssen für den König war nicht zu überbieten, Georg
V. wurde zum Schützenkönig proklamiert. Axel Claes,
der USK-Geschichtler, weiß: „Wie das so ist. Süschel
musste, weil er sich als bester Schütze gezeigt hatte,
auch ohne Königswürde einiges an Bier und Wein
spendieren. Er bat den Magistrat um eine finanzielle
Entschädigung, aber der Antrag wurde abgelehnt. Erst
im Jahr 1862 entschlossen sich die Ratsvertreter, dem
Bürger, der sich doch so sehr um Fallersleben verdient
gemacht hatte, als Ersatz für seine Auslagen insgesamt
10 Groschen zu zahlen.“
1862: Das war das Jahr, als sich in Gotha der
Deutsche Schützenbund gründete. Dafür, dass sich
auch die Fallersleber diesem Dachverband anschlossen,
warb der Bürgermeister eines Nachbarortes: Der legen­
däre Vorsfelder Carl Grete. Das Schreiben, mit dem er
versuchte, die Hoffmannstädter zum Beitritt zu ani­
mieren, haben Hildebrand und Claes unter Glas im
USK-Heim bewahrt. Das Entziffern des zwar sehr
sauber geschriebenen, aber von den deutschen Buch-
staben her ungewohnten Schriftstücks war kein leich­
tes Unterfangen. „Aber Hans-Bernhard hat sich da
richtig reingekniet und liest solche Urkunden in-
zwischen mit Leichtigkeit“, lobt Axel Claes seinen
Schützenbruder. Das Jahr 1862 nimmt in den Annalen
der Fallersleber Schützen noch aus einem anderen
Grund seinen Platz ein. Bürger wanderten damals nach
Amerika aus – bedingt durch die wirtschaftliche,
soziale und politische Lage in ihrer Heimatstadt. Auch
August Heinrich Hoffmann soll dem Vernehmen nach
der Vorschlag unterbreitet worden sein, mit ins Land
der unbegrenzten Möglichkeiten zu ziehen. Allein: Der
Schriftsteller war in Fallersleben zu sehr verwurzelt.
Aber auch jene, die dem Ort den Rücken gekehrt hatten,
blieben der Tradition verbunden. Im Jahr 1862
gründeten sie in Texas, nahe dem Ort Houston, den
Brays Bayou Gun Club. Der erste Präsident hieß
Wilhelm Telge und war ein Vorfahre von Schützen-
oberst Ernst Telge, der in der Reihe der USK-Vor-
sitzenden steht.
Von der Vergangenheit in die Gegenwart. Noch in
den 1970er Jahren, in der Ägide des Vorsitzenden
Gerhard Strauß, hatte das USK Fallersleben, das 1934
aus einem Zusammenschluss von Schießclub und
Schützencorps hervorging, rund 500 Mitglieder. „ Das
waren eben andere Zeiten“, erinnert sich Klaus
Bosenius. Er war einst Tambourmajor des Spielmann-
zugs im USK und ist im Jahr 2010 der Vorsitzende des
nunmehr 294 Mitglieder zählenden Vereins. „ Schützen-
feste waren große kulturelle Ereignisse, das Sport­
schießen hatte größere Bedeutung. Und auch der Spiel-
mannszug, über den viele junge Leute zum USK
gestoßen sind, war zahlenmäßig stärker. Man könnte
sagen, dass fast jeder, der Musik gemacht hat, auch auf
die Scheiben geschossen hat.“ Bosenius selbst und sein
Stellvertreter Axel Claes haben den Weg zu den Fallers-
leber Schützen ebenfalls über die Musik gefunden.
Obwohl: Im Grunde war‘s familiär vorgezeichnet. „Ich
kannte gar nichts anderes“, blickt Claes zurück. „Mein
Vater Georg Claes senior war seit 1951 im Spielmanns-
zug und ich bin als Steppke mit zu den Übungsabenden
gegangen. Hinterher gab‘s in der nahe gelegenen Gast-
stätte Behrens für mich Brause und Schokolade.“ 1963
bekam Axel dann als „Pfeifer“ die Flötentöne beige­
bracht, Bruder Georg Claes junior schlug die Trommel.
1965 gründete sich im USK ein eigener Jugendspiel-
mannzug. Im Laufe der Jahre wurden auch Mädchen
aufgenommen und zu Spitzenzeiten, in den 1970er
Jahren, zählte das Ensemble mehr als 100 Jugendliche.
„Wir traten auf beim Schützenball, bei Schützenfesten
und bei Umzügen. Das war eine wirklich tolle Zeit, vor
allem, weil wir zeitweise ein bisschen Narrenfreiheit
hatten. In unseren Uniformen sind wir in den Schuster-
laden gegangen, wo man uns die Schuhe putzte. Oder
Sammlungsstücke in der Erinnerungs­
galerie des USK.