Seite 41 - Fallersleben

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Herrschaft, Besitzverhältnisse und Wirtschaft Fallerslebens im Mittelalter
da sie in der Urkunde eindeutig vom Urkundenschreiber
nachgetragen wurde. Das tatsächliche Ausstellungsjahr
ist mit Sicherheit früher anzusetzen.
Hans Sudendorf, der in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts die Urkunden der Herzöge von
Braunschweig und Lüneburg edierte, setzte sich aus-
führlich mit diesem Problem auseinander
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: Weder im
Urkundentext, noch in der Umschrift des Siegels be-
zeichnet sich Otto als Kaiser; die Urkunde dürfte des-
halb aus der Zeit vor seiner Kaiserkrönung am 2. Fe­
bruar 962 stammen. Der Text der Urkunde legt
weiterhin nahe, dass zum Zeitpunkt ihrer Abfassung
die erste Gemahlin Ottos I, Königin Edgitha, bereits
verstorben war („pro remedio animae dilectissimae
coniugis nostrae Aedgidis“). Da Edgitha am 26. Januar
946 starb, wäre das Diplom nach diesem Datum aus-
gestellt worden. Aber die Formulierung „pro remedio
anime“, die in derselben Urkunde zwar mit dem Hin-
weis auf das Seelenheil von Ottos Sohn („pro salute
anime“) korrespondiert, hat Sudendorf jedoch zu ein-
seitig übersetzt. In der lateinischen Urkundensprache
wird diese Formulierung durchaus auch für Lebende
verwendet.
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Weiter ist laut Sudendorf zu berück-
sichtigen, dass am Ende der Urkunde in der Re-
kognitionszeile Kanzler Bruno für Erzkanzler Friedrich,
den damaligen Erzbischof von Mainz, auftritt („Brun
cancellarius ad vicem Friderici archicancellarü recog­
novi“). Da Bruno seit dem Jahre 940 als Kanzler
zeichnete, bevor er im Jahre 953 selbst zum Erzkanzler
erhoben wurde, ließe sich die Abfassung der Urkunde
damit noch weiter auf den Zeitraum zwischen 946 und
953 eingrenzen. Schließlich macht Sudendorf darauf
aufmerksam, dass Otto in der Urkunde seinen Sohn
Ludolf freundschaftlich erwähnt („pro salute filii nostri
Liudulfi“). Da sich die beiden aber im Winter 951 über-
warfen, möchte er das Diplom auf die Zeit davor
datieren. Die Urkunde stammte demnach aus dem Zeit-
raum zwischen 946 und 951. Während dieser Jahre
fiel allein im Jahre 949 der 5. Oktober auf einen
Mittwoch („feria IIII“); eine Anwesenheit König Ottos
in Magdeburg um diese Zeit wäre ebenfalls bezeugt.
Sudendorf vermutet deshalb als wirkliches Aus-
stellungsdatum der Urkunde den 5. Oktober 949. Bei
seinen Überlegungen hat er jedoch nicht auf den
Originaltext der Urkunde zurückgreifen können,
sondern stützte sich allein auf eine Abschrift.
Andere Wissenschaftler kommen zu einer anderen
Interpretation des Datums; so beispielsweise Sickel, der
die Urkunde Ottos I. auch in paläographischer Hinsicht
untersuchte.
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Doch hierauf soll an dieser Stelle nicht
detailliert eingegangen werden, denn dem Thema der
Ersterwähnung ist schließlich ein eigenes Kapitel in
diesem Band gewidmet.
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Nur soviel sei vorweg-
genommen: Sickels Vorschlag, dem auch die Edition
der Monumenta Germaniae Historica folgte, ist ein-
deutig der Vorrang zu geben: Die Ersterwähnung
Fallerslebens dürfte sich aller Wahrscheinlichkeit nach
auf das Jahr 942 beziehen.
Als eindeutig gesichert jedoch kann erst eine Er-
wähnung des Ortes aus dem Jahre 973 gelten. In einer
am 4. Juni in Magdeburg für die dortige Kirche aus-
gestellten Urkunde Kaisers Ottos II. bestätigt dieser die
Privilegien seines Vaters, insbesondere Immunität,
Bann und freie Vogtswahl. Unter zahlreichen anderen
Dörfern, in deren Besitz er die Magdeburger Kirche be-
zeugt, wird ausdrücklich auch Fallersleben erwähnt,
geschrieben als „Ualresleba“. Der Ort zählte damals –
ebenso wie die gleichfalls genannten Dörfer Schauen
(Kreis Halberstadt) und Bahrdorf (Kreis Helmstedt) –
zum Harzgau („in pago Hardago“).
Zwei Jahrzehnte später erscheint Fallersleben in
einer Urkunde Ottos III. aus dem Jahre 997, als der
Kaiser Bischof Arnulf von Halberstadt und seinen
Nachfolgern den Wildbann über mehrere Wälder ver-
Oben:
Monogramm Ottos I. in der Signum-Zeile
der Urkunde.
Unten:
Porträtsiegel Ottos I. und so genannter
„Bienenkorb“ des ausstellenden Notars.