Seite 93 - Fallersleben

Basic HTML-Version

229
Die Fallersleber Zuckerfabrik 1879 – 1995
Hermann von der Wense aus Mörse und dem Wett­
mershagener Carl Lehste durchgeführt wurde, konnte
die Zeichnung von 387 Aktien mitgeteilt werden, wobei
die Freiherr Grotesche Vormundschaft und die Gräflich
Schulenburg-Wolfsburgsche Verwaltung mit 40 bzw.
15 Aktien heraus stachen. Dementsprechend dominier­
ten im einundzwanzigköpfigen Gründungsausschuss
die Aktionäre aus der ländlichen Oberschicht, wie
Baron Richard von Bülow aus Groß-Brunsrode oder
Kammerherr Eberhard von Lüneburg aus Essenrode,
während aus Fallersleben nur der Glasermeister Wil­
helm Pfeiffer vertreten war.
7
Dass aber am Ende investitionsbereite Bürger aus
Fallersleben, die vor allem die Errichtung und den Be­
trieb der Zuckerfabrik im Blick hatten, die Idee in die
Realität überführten, zeigte die am 20. März 1879 im
Gillemann’schen Gasthaus, dem späteren „Ratskeller“,
durchgeführte erste Generalversammlung der Aktien­
gesellschaft. 30 Investoren aus Fallersleben, darunter
Tischlermeister Bartram, Kantor Gerloff sowie Bürger­
meister Friedrich Mumme zeichneten gleichsam in
„letzter Stunde“ die erforderliche Anzahl Aktien, um
das auf 300.000 Mark reduzierte Grundkapital aus­
weisen zu können.
8
Durch Wahl des ersten Verwaltungs­
rats, in den als zusätzlicher Vertreter der nicht-land­
wirtschaftlichen Investoren aus Fallersleben auch
Ziegeleibesitzer Eduard Meyer einzog, während „Acker­
mann“ Heinrich Fricke als Ersatzmann fungierte, und
die Bestimmung des fünfköpfigen Vorstandes um
Hermann von der Wense, den Sülfelder Oekonomierat
Ferdinand Ernst, den Edesbütteler „Ackermann“ Hein­
rich Gaus, „Großkotsaß“ WilhelmWitte aus Ehmen und
Mühlenbesitzer Heinrich Bäumler aus Flechtorf galt die
Aktiengesellschaft als gegründet. Vom Vorstand blieben
Aktionäre aus Fallersleben langjährig ausgeschlossen;
im Aufsichtsrat vertrat zwischen 1880 und 1895 die
lokalen Interessen Bürgermeister Friedrich Mumme.
Angesichts des Grundkapitals von 300.000 Mark,
auf das zunächst sogar nur 10 Prozent eingezahlt wer­
den mussten, war der Bau einer Zuckerfabrik in Nähe
der Bahnlinie ein riskantes Unterfangen, zumal die
Finanzierung weniger durch Aktienzeichnung, sondern
vor allem durch die Auflage einer Prioritätsanleihe
über 450.000 Mark getätigt wurde. Darüber hinaus
stellte die Preußische Steuerbehörde einen Steuerkredit
über 75.000 Mark und die Hannoversche Bank einen
Bankkredit über 175.000 Mark zur Verfügung. Nach
Lage der Dinge mussten die Aktionäre in eine Rück­
bürgschaft eintreten, um überhaupt die allein im Jahre
1879 mehr als 893.000 Mark betragenden Aufwen­
dungen für Grundstücke, Gebäude, Maschinen und
Geräte decken zu können.
9
Obgleich die Errichtung der Fabrik zunächst von
der Überlassung des Betriebsgrundstücks durch den
Fiskus abhängig war,
10
und das Vorhaben wegen un­
vorhergesehener Schwierigkeiten bei der Wasserver­
sorgung zeitweilig stockte, ging die nach dem Ro­
bert’schen Diffusionsverfahren arbeitende Fabrik,
deren technische Ausstattung die Braunschweigische
Maschinenbauanstalt (BMA) geliefert hatte, am 11. De­
zem­ber 1879 und damit nur sieben Monate nach der
Auszug aus dem Gründungsstatut der
Zuckerfabrik Fallersleben.