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wieder eröffnen.
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Der neue Anfang gelang ihm schnell: Im Februar 1920 beschäftigte
das Werk 1.000 Mitarbeiter.
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In den nächsten Jahren war Büssing wiederholt auf die
Unterstützung des braunschweigischen Gesandten bei der Reichsregierung in Berlin,
Friedrich Boden, angewiesen, um staatliche Aufträge zu erlangen. Erhebliche Werks-
erweiterungen hatten zu finanziellen Problemen geführt. 1922/23 stellte Büssing Lkw für
Serbien und Spezialwagen für die preußische Schutzpolizei, das Reichswehrministerium
und die Reichspost her. In den Jahren 1928/30 erprobte Büssing auf einer geheimen Ver-
suchsstation der Reichswehr bei Kasan an der Wolga/Sowjetunion verschiedene neue
Geländewagen für militärische Zwecke. Die Station hatte die Aufgabe, in Deutschland
entwickelte Prototypen von Kampffahrzeugen in der Praxis gründlich zu erproben, was
auf Grund der Einschränkungen durch den Versailler Vertrag auf deutschem Territorium
zu dieser Zeit nicht möglich war.
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Um 1929 erweiterte Büssing seine Auslandsorganisa-
tion. Haupträume des Exports wurden Australien, Südafrika und Südamerika. 1930
schloss sich die Firma mit der National Automobil-Gesellschaft in Berlin in einer Aktien-
gesellschaft mit den Namen „Büssing-NAG. Vereinigte Nutzkraftwagen AG (BNV)“
zusammen. 1931 hatte Büssing einen Anteil von 32% am deutschen Lkw-Absatz.
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Als im Jahre 1934 alle großen Automobilfirmen vom Reichsluftfahrtministerium aufge-
fordert wurden, die Fertigung von Flugzeugmotoren aufzunehmen, gründete Büssing-
NAG 1935 die selbstständige Tochter „NiedersächsischeMotorenwerke GmbH“ (NIEMO).
Die NIEMO errichtete im Querumer Holz in Braunschweig ein Werk, das 1936 die Pro-
duktion aufnahm. 1939 waren dort 3.200 Mitarbeiter beschäftigt, die monatlich 60 Daim-
ler-Benz-Flugzeugmotoren in Lizenz herstellten.
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Im Rahmen des nach dem Bevoll-
mächtigten für die Ausführung benannten „Schell-Programm“ ordnete das Vierjahres-
plan-Amt mit den Zielen der Autarkiegewinnung und Kriegsvorbereitung eine Typenbe-
schränkung für die einzelnen Lkw-Hersteller an: Büssing produzierte vorrangig den
Vier- bis Fünftonnen-Lastkraftwagen „500“, den es ab 1941 auch in einer Hinterrad- und
Allradantriebs-Ausführung als „4500“ gab. Dieser Wagen erwies sich als eine für militä-
rische Zwecke brauchbare Konstruktion, denn bis 1945 baute Büssing davon 14.813
Stück.
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Das Unternehmen wurde auf die Kriegserfordernisse organisatorisch und tech-
nisch umgestellt. Dadurch konnte man Frauen und auch Behinderte in größerer Zahl als
früher beschäftigen. Die Büssing-Belegschaft arbeitete seit Mai 1944, als der Luftkrieg eine
Dezentralisierung der Fertigung erzwang, an 17 Produktions- und an 51 Materiallager-
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Liedke/Rother, Industrie, S. 45.
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Treue, Entwicklung, S. 167.
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Liedke/Rother, Industrie, S. 46. Auch Treue berichtet darüber. Er führt aber nicht aus, dass es sich um eine
geheime Versuchsstation handelte, vgl. Treue, Entwicklung, S. 170. Die ersten Kontakte zwischen Deutschen
und Sowjets wurden bereits im Sommer 1920, also zwei Jahre vor Abschluss des Rappalo-Paktes geknüpft,
in: Ullrich, Volker: Schon vor 1933 wurde aufgerüstet, in: Die Zeit v. 1.4.1994; vgl. auch: Zeidler, Manfred:
Reichswehr und Rote Armee 1920-1930. Wege und Stationen einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit,
München 1993.
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Liedke/Rother, Industrie, S. 46.
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Treue, Entwicklung, S. 176.
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Seher-Thos, Graf, von: Die historische und technische Entwicklung der Nutzfahrzeuge (weiter: Seher-Thos,
Technische Entwicklung), in: Büssing-MAN, S. 201-300; Treue, Entwicklung, S. 176f.