Seite 107 - Kirchenbuch

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Di e Gesch i chte der Pra x i s des Konf i rmandenunter r i chts i n der Landesk i rche Braunschwe i g
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DI E GESCHICHTE DER PRAX IS DES KONF IRMANDENUNTER-
RICHTES IN DER L ANDESK IRCHE BRAUNSCHWE IG
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von Diet r ich Kuessner
Die Durchsetzung der Reformation war ein Generationsproblem. Erst in der Kinder-
und Enkelgeneration, die nicht mehr im katholischen Glauben und in katholischer Sit-
te aufgewachsen waren, würde sich allmählich eine evangelische Frömmigkeit her-
ausbilden. Dazu war eine fachkundige und einfühlsame Unterweisung der Kinder
und Jugendlichen notwendig. Daher war die Unterweisung der Jugend in die Grund-
lagen der kirchlichen Lehre ein Hauptwunsch der Reformatoren. Er war allerdings mit
einem entscheidenden Defizit verbunden: der Abschaffung der Firmung. In katholi-
scher Zeit war es üblich, dass in bestimmten Abständen der Bischof Landstädte und
Dörfer seines Bistums besuchte und den heranwachsenden Kindern im Alter von acht
bis zehn Lebensjahren das Sakrament der Firmung spendete. Mit der Firmung sollten
sich der katholische Glaube und die Bindung zur katholischen Kirche im Kindesalter
festigen.
Luther (1483-1546) schaffte nicht nur die Firmung als Sakrament ab, sondern auch
den mit der Firmung verbundenen Unterricht. An ihre Stelle sollte nun die Unterrich-
tung der Kinder in den christlichen Grundlagen treten. Für diesen Unterricht sollten
vor allem die Eltern verantwortlich sein. Dazu schuf Luther den Kleinen Katechismus,
der in Frage und Antworten die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterun-
ser, sowie die Taufe und das Abendmahl behandelte. Allerdings war die Vorausset-
zung, dass die Eltern selber über solche Grundkenntnisse verfügten, damals ebenso
wenig gegeben wie heute.
Daher sollten auch die Schulen im Herzogtum zur Vermittlung der Grundkenntnisse
dienen. Der Unterricht wurde dem Opfermann (Küster) übertragen. Für Jahrhunderte
wurde daher der Zusammenhang von Konfirmandenunterricht, Konfirmation und
Schule typisch. Aber die Schulen in Dörfern und Landstädten befanden sich oft in
einem kümmerlichen Zustand. Die Eltern schickten ihre Kinder trotz Schulpflichtge-
setz kaum zur Schule, die Lehrer wurden so schlecht bezahlt, dass sie einen Neben-
erwerb betrieben. Es gab kaum geeignete Schulräume und die Lehrinhalte bestanden
aus Lesen, Schreiben, Singen, Beten und vor allem stille Sitzen. Grundlagenbuch war
der Kleine Katechismus Luthers, den die Schüler immer und immer wieder auswen-
dig hersagen mussten.
Als dritter Ort der Unterrichtung war ein am Sonntag Nachmittag eingerichteter Got-
tesdienst gedacht, der weniger der Anbetung als dem Grundlagenunterricht für Kin-