Seite 112 - Kirchenbuch

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Peter A lbrecht
und ihr Glück auf Wanderschaft zu erhaschen versuchten. Außer-
dem kümmerten sie sich um Pilger, das sei nicht vergessen.
In einigen Bereichen wirkten die Berufsverbände (Gilden, Zünf-
te, Ämter) auch als Solidargemeinschaft für ihresgleichen. Ge-
meindekirchlich gebundene Armenfürsorge richtete sich meist
an sogenannte ‚Hausarme’, also an Angehörige bürgerlichen Zu-
schnitts der eigenen Gemeinde. Die anderen wurden fast überall
auf den Bettel verwiesen. Das war nicht so herzlos, wie es uns
heute vorkommt. Der Bettler hatte zur Zeit des Mittelalters eine
gesellschaftlich akzeptierte Position, bei der Leistung und Gegen-
leistung als angemessen empfunden wurden, also Hilfe zum Le-
bensunterhalt gegen Fürbitte bei Gott. Ein Bettler war nicht ‚un-
ehrlich’, und es spielte auch keine Rolle, ob jemand der Not
gehorchend Bettler wurde oder diese Lebensform ganz frei ge-
wählt hatte. Der Bettel war ein Stand in der mittelalterlichen Ge-
sellschaft, im Ansehen durchaus vergleichbar den Berufsstän-
den, wenn es sich um einfache Tätigkeitsbereiche handelte. Die-
se Sicht war Ende des 15. Jahrhunderts nicht mehr so allgemein
akzeptiert. Zunehmend wurden die Bettler – die Mönche einge-
schlossen – als lästig empfunden, wozu auch ihre große Zahl bei-
trug. Gerade die Städte, so etwa auch Braunschweig, versuchten
durch die Organisation des Bettels die Lage zu entspannen. Es
wurden Zeiten festgesetzt, an denen die Bettler durch die Stra-
ßen ziehen durften; das individuelle Sammeln wurde durch das
gemeinsame Sammeln ersetzt, und die Gaben ‚gerecht’, d. h.
Abb. 2:
Alexius-Pflegehaus,
Braunschweig
(ehemaliges Kloster
der Alexianerbrüder,
seit 1561 Einrichtung
der Armenpflege),
Quelle und
Fotonachweis:
Städtisches Museum
Braunschweig