Seite 162 - Kirchenbuch

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ohne je die Bedrohung von
Leib und Leben erfahren zu ha-
ben. Spätere Gesangbücher
greifen auf gängige Lieder
auch gegen die Türkengefahr
zurück; mit der Aufklärung
entfällt der Topos. Eine reli-
gionsgeschichtliche und theo­
lo­gische Beschäftigung mit
dem Islam ist weder hier noch
sonst in der religiösen und
theologischen Literatur bis
1800 nachweisbar. Wenn über-
haupt über „die Türken“ ge-
schrieben und gesprochen
wurde, dann in verallgemei-
nernder Absicht, polemisch
und als Entgegnung auf leibli-
che und seelische Bedrohung
des Landes, der Menschen und
ihrer Habe. Selbst die Geistli-
chen zur Zeit des Abtes Jerusa-
lem, zwischen 1750 und 1800,
urteilen über Andersgläubige
aus Unwissenheit oder mit apo-
logetischen Absichten.
Eine wirkliche Kenntnisnahme der Lehre Mohammeds und des
Koran wird man vergeblich in der kirchlichen Literatur suchen,
allein zwei Veröffentlichungen von Professoren der Landesuni-
versität Helmstedt gehen andere Wege. In einer akademischen
Rede über die Mission von Juden, Muslimen und Heiden behan-
delt Georg Calixt 1629 u. a. den Koran und seine Verbreitung.
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Polemische wie sachlich fremde Schlussfolgerungen lassen ver-
muten, dass Calixt eher über Dritte als durch eigene Lektüre reli-
giöser Schriften den Islam kennen gelernt hatte. Gut einhundert
Jahre später nimmt der Orientalist Hermann von der Hardt (1660-
1746)
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in mehreren kleinen Schriften das Gespräch mit der ande-
ren Religion auf; moderat weiß der Gelehrte Unterschiede und
Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.
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Absicht und Zweck seiner
Schriften liegen im akademischen Gedankenaustausch.
Abb. 2:
Professor Hermann
von der Hardt (1660-
1746),
Kupferstich,
Fotonachweis:
Niedersächsisches
Landesarchiv, Abt.
Staatsarchiv Wolfen-
büttel