Seite 21 - Kirchenbuch

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Di e mi t te l a l ter l i che K i rche im Braunschwe i ger Land
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DI E MI T TEL ALTERL ICHE K IRCHE IM BRAUNSCHWE IGER L AND
von Reinhar t Staats
EINFÜHRUNG
Eine umfassende neuere Kirchengeschichte des Braunschweiger Landes im Mittel­
alter gibt es nicht. So ist es ein Wagnis, nur kurz einzuführen in siebenhundert Jahre
Kirchengeschichte, vom neunten Jahrhundert bis zur Einführung der Reformation im
sechzehnten Jahrhundert.
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Von vornherein ist die sowohl kirchliche als auch politi-
sche Bedeutung des Raumes der späteren Braunschweiger Landeskirche hervorzuhe-
ben. Denn vom neunten bis zum dreizehnten Jahrhundert lag hier im christlichen, öst-
lichen Sachsenlande ein Kraftzentrum deutscher und sogar europäischer Geschichte.
Vorangestellt seien daher Bemerkungen zum Ineinander von kirchlicher und politi-
scher Geschichte. Denn hier sind zu berücksichtigen auch große sowohl kirchliche
als auch politische Themen wie die Christianisierung des Landes nach den Sachsen-
kriegen Karls des Großen im neunten Jahrhundert, dann im zehnten Jahrhundert die
für die Entstehung einer deutschen Geschichte so folgenreiche Epoche der Ottonen-
kaiser, die im Raum Gandersheim auch familiär verwurzelt waren. Im elften Jahrhun-
dert wurde unter den Salierkaisern (Heinrich III., Heinrich IV. und Heinrich V.) Goslar
am Harz zur heimlichen Hauptstadt des Reiches. Feste Stützpunkte in unserem Lande
in der Zeit eines Reisekönigtums waren die Königspfalzen. Doch nach dem Aufstieg
Goslars zur Reichsstadt und Kaiserpfalz verfielen die Pfalzen Werla (bei Schladen an
der Oker) und Grohne (bei Göttingen an der Leine). Fast nichts ist davon übriggeblie-
ben. Ungefähr gleichzeitig mit Goslar beginnt aber auch die Geschichte der Stadt
Braunschweig unter dem Geschlecht der Brunonen, auch in Abwehr gegen die Salier-
kaiser, die im norddeutschen Raum zu eigenem und des Reiches Schutz Burgen er-
richtet hatten. Herausragendes Beispiel ist die Harzburg.
Im zwölften Jahrhundert geschah dann unerwartet der Aufstieg des Sachsenherzogs
Lothar von Süpplingenburg zum römisch-deutschen Kaiser (1125-1137). Seine präch­
tige Grabstätte befindet sich im Zentrum der von ihm bei seinem Stammsitz Süpplin-
genburg in Königslutter erbauten Benediktiner-Abteikirche („Stiftskirche“). Dort ruht
Kaiser Lothar neben seiner Gemahlin Richenza und seinem Schwiegersohn Heinrich
dem Stolzen, Herzog von Bayern und Sachsen, mit dem erstmals das Geschlecht der
im Süddeutschen beheimateten Welfen in den Norden kam. Besonders wichtig für die
Kirchengeschichte des Landes wurde die Herrschaft des Welfen „Heinrich der Löwe“.
Er war ein Sohn Heinrichs des Stolzen und ein Enkel Kaiser Lothars. Der „Löwe“, auch
er ein Herzog von Sachsen (schon seit 1142) und von Bayern (seit 1150), wäre selbst
gar zu gern ein König und Kaiser im Heiligen Römischen Reich geworden. Seine Stadt