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              Die Luftfahrtforschungsanstalt in
            
            
              Braunschweig-Völkenrode 1936 bis 1945
            
            
              Von Bernd Krag und Gerhard Sauerbeck
            
            
              Der erfolgreiche Flug von Charles Lindbergh über den Atlantik im Jahre
            
            
              1927 hatte in Europa für beträchtliches Aufsehen gesorgt. Die deutsche Luft-
            
            
              fahrtforschung nahm dieses Ereignis zum Anlass, um auf den Vorsprung der
            
            
              Amerikaner in der Luftfahrttechnik hinzuweisen und mehr Mittel für den
            
            
              Ausbau der Luftfahrtforschungsanstalten zu fordern. Obgleich Deutschland
            
            
              damals in den Luftfahrtwissenschaften keinesfalls hinter Amerika zurück-
            
            
              stand, war die deutsche Luftfahrtindustrie in den zwanziger Jahren weit we-
            
            
              niger erfolgreich als die Wissenschaft. Der Militärf lugzeugbau war in
            
            
              Deutschland verboten, der Lufttransport steckte noch in den Kinderschuhen
            
            
              und bot den in der Luftfahrt tätigen Unternehmen kaum Überlebensmög-
            
            
              lichkeiten. Lindberghs Atlantikflug gab den Anlass für eine Neuorientierung
            
            
              der deutschen Luftfahrtforschung. 1928 wurde der „Deutsche Forschungsrat
            
            
              für die Luftfahrt“ gegründet mit dem Ziel einer besseren Koordination der
            
            
              Forschungsarbeiten in den Luftfahrtforschungsanstalten und einer zügigen
            
            
              Umsetzung von Forschungsergebnissen in die industrielle Praxis. Gleichzei-
            
            
              tig wurde ein Ausbau der Luftfahrtforschungsanstalten in Aussicht gestellt.
            
            
              Der Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 setzte diesem Vorhaben jedoch
            
            
              schnell ein Ende.
            
            
              Nach dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten im Jahre 1933 änder-
            
            
              te sich die Situation jedoch grundlegend. Die Luftfahrtforschung kam in den
            
            
              Genuss einer großzügigen staatlichen Förderung. Mit der Eingliederung der
            
            
              Luftfahrtforschung in das neu gegründete Reichsluftfahrtministerium
            
            
              (RLM) wurde die Luftfahrtforschung zu einer Abteilung des Technischen
            
            
              Amtes. Leiter der Forschungsabteilung war Ministerialdirigent Dr. Adolf
            
            
              Baeumker (1891 – 1976), der bereits in der Weimarer Republik in dieser
            
            
              Funktion tätig war. Vom Chef des RLM, Hermann Göring (1893 – 1946),
            
            
              beauftragt, verfasste er 1933 eine Denkschrift über die Neuorganisation der
            
            
              deutschen Luftfahrtforschung. Es galt die Weisung Görings, dass die deut-
            
            
              sche Luftfahrtforschung bis 1938 den Stand der führenden ausländischen
            
            
              Nationen erreicht haben müsse. Versuche der Reichsregierung, die Luft-
            
            
              fahrtforschungsanstalten in eine Reichsbehörde nach NACA-Vorbild umzu-
            
            
              wandeln, um eine bessere staatliche Steuerung zu ermöglichen, konnte durch
            
            
              den Forschungsrat erfolgreich abgewehrt werden.
            
            
              Im Rahmen der Ausbaumaßnahmen wurde beschlossen, zu den vorhande-
            
            
              nen Forschungsanstalten Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in