Seite 31 - Muenzbuch

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Die Brakteaten Heinrichs des Löwen
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Man hat vermutet, dass Heinrich diese Münze aus Anlass der Wiedergewinnung des väterlichen
Herzogtums Bayern prägen ließ. 1154/56 gestand König Friedrich I. Barbarossa dieses Erbe Heinrich
dem Löwen zu. Während auf den meisten Brakteaten Heinrichs – mit Ausnahme einer wohl späten
Gruppe mit zwei Löwen als heraldischem Symbol (siehe unten S. 38) – normalerweise nur ein Löwe
dargestellt ist, finden sich hier zwei Löwen seitlich angeordnet zu Füßen des Herzogs, was als
symbolischer Hinweis auf den Besitz der beiden Herzogtümer Sachsen und Bayern gedeutet wurde.
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Im Unterschied zu den übrigen Brakteaten ist das Symbol des Löwen hier aber deutlich in den Hinter-
grund gerückt.
Die beiden Löwen dienen als Zierelemente des Thrones, auf dem Heinrich sitzt, sind allerdings
größer ausgestaltet, als in einer realen Darstellung zu erwarten wäre, weil sie für Herzog Heinrich
kennzeichnend waren. Es geschah wohl aus symmetrischen und ästhetischen Gründen, nicht als
politische Symbolik, dass die Löwen hier zweifach erscheinen.
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Denn das Münzbild als Ganzes ist
streng symmetrisch gegliedert, was auch an der Frisur, Kleidung und Haltung des Herzogs zu er-
kennen ist. Diese Symmetrie hatte nicht nur ästhetische, sondern auch praktische Gründe. Häufig
halbierte man die Münzen, um Kleingeld zu erhalten. Beim Zerschneiden entstanden zwei gleichartige
Hälften, was für die Identifikation der Münze hilfreich war.
Mehrfach wurde vorgeschlagen, die in der Herrscherikonographie der Zeit ungewöhnliche Thron-
darstellung mit den beiden Löwen auf die biblische Beschreibung des Thrones Salomons zurückzu-
führen. Danach hätte sich der Herzog auf der Münze als neuer Salomon präsentiert.
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Für diese These
spricht, dass Heinrich der Löwe nach seinem Kreuzzug in das Heilige Land 1173 die neu errichtete
Stiftskirche St. Blasius wie den salomonischen Tempel ausstatten ließ und dass er in der Chronik
Arnolds von Lübeck mit König Salomon verglichen wurde.
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Es kommen aber auch außerhalb des
Alten Testaments orientalische Throndarstellungen mit zwei Löwen als Vorbild in Frage.
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Das Schwert, das der Herzog im Münzbild in der Linken hält, galt als Zeichen militärischer Macht
oder hoher Gerichtsbarkeit. Das Lilienzepter in seiner Rechten wird sowohl als Zeichen des Friedens
als auch als königliches Herrschaftszeichen interpretiert.
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Wurde beim Braunschweiger Löwen-
denkmal dessen rechtssymbolische oder militärische Bedeutung diskutiert
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, so steht beim Thron-
pfennig sicher der militärische Aspekt im Vordergrund.
Dieser Brakteatentyp symbolisiert die Macht und Stärke Heinrichs ebenso sehr wie die Brakteaten,
auf denen der Löwe in Mauerringen mit Türmen und Zinnen dargestellt ist.
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Die Vermutung, dass alle
diese Brakteatentypen mit Machtsymbolik in den sechziger Jahren des 12. Jahrhunderts im Zu-
sammenhang mit den Kämpfen gegen sächsische Gegner Heinrichs des Löwen entstanden, ist nahe
liegend, aber nicht zu beweisen.
Etwas mehr Zurückhaltung in seiner Herrschaftspropaganda zeigt der Brakteatentyp mit dem kleinen
Brustbild des Herzogs über einer Stadtmauer und dem Löwen (Abb. 26)
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.
Auf dem Brakteaten steht der Löwe im Mittelpunkt, während der Herzog im
Hintergrund über seine Stadt wacht. Die auf diesem Exemplar nur schlecht zu
lesende und teilweise verwischte Aufschrift weist erneut Wortdoppelungen
und retrograde Buchstaben auf, ist aber eindeutig auf Heinrich den Löwen zu
beziehen. Im ersten Fund von Mödesse waren vier verschiedene Varianten
dieses Typs enthalten
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, der offenbar in größerer Menge geprägt wurde.
Die zeitliche Reihenfolge der einzelnen Prägungen, die man gelegentlich zu rekonstruieren versuchte
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,
lässt sich mit stilistischen Kriterien kaum ermitteln, da hier die Freiheit unterschiedlicher Künstler zu
berücksichtigen ist, die sich zwar grundsätzlich der allgemeinen Kunstentwicklung anschlossen, teil-
weise aber mit zeitlicher Verzögerung.
Das Vorkommen der Brakteaten Heinrichs des Löwen in den Schatzfunden ist zu wenig
differenziert, um daraus sichere Anhaltspunkte für ihre Feindatierung gewinnen zu können. Eine
Abb. 26:
Heinrich der Löwe, Brakteat
1142-1195, Münzstätte
Braunschweig. – Silber.
0,85 g. 28mm. – HAUM
Inv.-Nr. 220/17.
Vorderseite:
+
IEINRICVS LEO DVX
HEINRICS O LEO A; in
einem Torbogen Löwe nach
rechts schreitend, oben
Brustbild des Herzogs mit
Schwert und Fahnenlanze
zwischen zwei
Zinnentürmen.
Rückseite:
ungeprägt.