Seite 34 - Muenzbuch

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Die Münzprägung des Spätmittelalters und der Beginn der Groschenprägung
Die historische Entwicklung des Braunschweigischen Landes
Die Geschichte der welfischen Länder im Spätmittelalter ist auf Grund der zahlreichen Teilungen und
der daraus entstehenden Verzweigungen der Welfen äußerst verwirrend. Zwischen 1202 und 1495 zählt
man insgesamt elf Aufspaltungen. 1267/69 wurde das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg durch
einen Vertrag unter zwei der Söhne Ottos ‚des Kindes’ aufgeteilt. Herzog Albrecht I. der Große er-
hielt den südlichen Teil, in dem auch Braunschweig lag, Herzog Johann den Teil um Lüneburg. Laut
Vertrag sollte die Stadt Braunschweig aber in beider Besitz bleiben (siehe oben S. 48). Nach dem Tod
Albrechts I. kam es unter seinen Söhnen Heinrich Mirabilis (der Wunderliche) (1279-1322)
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, Albrecht
II. der Fette (1279-1318) und Wilhelm (1279-1292) mehrfach zu Auseinandersetzungen um das Erbe.
Albrecht II. beherrschte nach einer weiteren Teilung einen Komplex, zu dem Braunschweig, Wolfen-
büttel und Umgebung, aber auch das Land Oberwald mit Göttingen gehörten. Als sein Sohn Otto der
Milde (1318-1344), der ihm in der Regierung gefolgt war, verstorben war, wurde der Herrschaftsbereich
im Jahre 1345 erneut geteilt und Göttingen von Braunschweig-Wolfenbüttel getrennt. Das Braun-
schweiger Land fiel an Ottos Bruder Magnus I. den Frommen (1345-1369), der bei seinem Tod die
Herrschaft an seinen Sohn Magnus II. Torquatus (1369-1373) weitergab.
1428 kam es zum wiederholten Mal zu einer Teilung der Besitzrechte im Herzogtum Braun-
schweig-Lüneburg. Die Brüder Wilhelm I. der Siegreiche (1428-1482) und Heinrich der Friedfertige
(1428-1473) übernahmen den südlichen Teil mit Braunschweig und regierten dort bis 1432 gemeinsam.
Dann wurde erneut geteilt. Aus dem eigentlichen alt-braunschweigischen Teil des Herzogtums ent-
stand das Land Braunschweig mit der Residenz Wolfenbüttel. Dieses Gebiet wurde von Heinrich dem
Friedfertigen regiert, während sein Bruder Wilhelm der Siegreiche die Neuerwerbungen der letzten
100 Jahre erhielt, darunter die ehemaligen Herrschaften Homburg und Everstein.
1473 waren die Länder Braunschweig, Calenberg und Göttingen durch Wilhelm I. den Siegreichen
wieder vereint worden. Die Söhne Wilhelms II. des Jüngeren (1482-1495) vollzogen 1495 erneut eine
Teilung. Erich der Ältere (1495-1540) übernahm das Land Calenberg. Heinrich der Ältere (1495-1514)
dagegen legte die Grundlage zur Entwicklung des frühneuzeitlichen Fürstentums Braunschweig-
Wolfenbüttel.
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1. Herzogliche Prägungen im Spätmittelalter
Im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg war seit dem Hochmittelalter der Hohlpfennig, für das 12. und
13. Jahrhundert heute auch Brakteat genannt, die vorherrschende Münze. Den spätmittelalterlichen
Münzumlauf im Braunschweiger Land dominierten Hohlpfennige, die in der Münzstätte Braunschweig,
an der alle Welfenfürsten Anteil hatten, nach dem schweren Braunschweiger Münzfuß geprägt wurden.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts begann als größere Silbermünze der Groschen umzulaufen. Es waren
die welfischen Herzöge, die zuerst Groschen prägten, vor allem im südlichen Niedersachsen. Während
die Städte meist an der alten Pfennigwährung festhielten und die eindringenden neuen Münzsorten
bekämpften, bevorzugten die Herzöge, nachdem sie ihre ehemaligen Münzstätten verpfändet und
verkauft hatten, die Groschenprägung. Darin sahen sie, als Groschen aus auswärtigen Münzstätten
schon vielfach im Lande umliefen und immer beliebter wurden, eine Erfolg versprechende Möglich-
keit, aus neu gegründeten Münzstätten Gewinne zu erwirtschaften. Zwischen 1428 und 1433 prägten
die Herzöge Bernhard I. (1373-1434) sowie seine Söhne Otto und
Friedrich kleine Groschen zu 6 Pfennigen, die so genannten
‚Körtlinge’, in Stadtoldendorf und Bodenwerder (Abb. 66)
6
. Auf
der Homburg oder in Stadtoldendorf ließen Wilhelm I. der Sieg-
reiche (1416-1482) und Heinrich II. der Friedfertige (1428-1473)
nach 1428 kleine Groschen herstellen.
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Abb. 66:
Herzogtum Braunschweig-
Lüneburg, Bernhard I.
(1373-1434), Körtling
1428-1434, Münzstätte
Bodenwerder. – Silber.
1,26 g. 21mm. – HAUM
Inv.-Nr. 211b/32.
Vorderseite:
+
DVX BERNARD · BRVSW
LVNB; senkrecht geteilter
gotischer Schild mit zwei
Braunschweiger Leoparden
(links) und aufgerichtetem
Lüneburger Löwen (rechts)
in zehnbogiger Um-
randung.
Rückseite:
MON NOV DVC BRVS;
langes Lilienkreuz, darauf
Wappenschild von Hom-
burg mit aufgerichtetem
Löwen.