Seite 53 - Muenzbuch

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Die Ursachen der Kleingeldverschlechterung
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Fünftes Kapitel
DIE MÜNZEN UND MEDAILLEN IM ZEITALTER
DES DREISSIGJÄHRIGEN KRIEGES
Äußerst kompliziert stellt sich die Münzprägung im Braunschweiger Land zur Zeit des Dreißig-
jährigen Krieges (1618-1648) dar. Sowohl die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Entwicklungen als
auch die sich wandelnden politischen Verhältnisse und die militärischen Ereignisse, die sich im öst-
lichen Niedersachsen abspielten, gilt es zu beachten, wenn man die Prägetätigkeit jener Zeit und ihre
Hintergründe verstehen will.
1. Die Ursachen der Kleingeldverschlechterung
Bevölkerungsvermehrung, verbunden mit einem Überschuss an Arbeitskräften, konjunktureller Rück-
gang der Agrarproduktion und die Verlegung der Handelswege führten seit dem letzten Jahrzehnt des
16. Jahrhunderts zu zahlreichen Krisenerscheinungen in Deutschland und Europa. Wachsende Bedürf-
nisse der Staaten sowie der sich lange anbahnende große Krieg führten zu Spekulationen und zur
wachsenden Tendenz der Münzverschlechterung. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war in
Europa die Silberproduktion zurückgegangen. Auch weltweit sank in den ersten Jahrzehnten des
17. Jahrhunderts die Menge des produzierten Silbers. Durch den verringerten Import aus Amerika und
die geringere Ausbeute der europäischen Silberbergwerke wurde das für die Münzprägung benötigte
Silber immer teurer. Andererseits stieg der Geldbedarf im Handel vor allem mit dem Ostseeraum und
Asien. Sogar Großmächte wie Spanien und Frankreich gingen dazu über, Silber zu sparen und Kupfer-
münzen auszugeben, die vom Materialwert ihrem Nominalwert nicht gleichkamen.
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Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation hatte man sich in den Reichsmünzordnungen des
16. Jahrhunderts nur auf die großen Münzsorten, die Gold- und die Talerprägung geeinigt. Für
Funktion und Charakter der kleinen Geldsorten fehlte noch das Verständnis. Bei mittleren und
kleineren Nominalen wie dem Groschen waren derart hohe Münzfüße vorgeschrieben, dass bei
steigenden Silberpreisen Kleinmünzen ohne Verlust für den Prägeherrn nicht zu produzieren waren
(siehe oben S. 152 f.), so dass die Vereinbarungen oft nicht eingehalten wurden. Der Preis einer Menge
Silber lag schon im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts höher als der Wert der Münzen, die daraus aus-
geprägt werden sollten.
Zum täglichen Zahlungsverkehr benötigte man aber nicht nur die großen Nominale wie den Taler,
sondern auch Klein- und Wechselgeld, das von den Landesherren und Städten zur Verfügung gestellt
werden musste. Fürsten wie die Braunschweiger Herzöge, denen Silber aus den eigenen Bergwerken
zur Verfügung stand, weigerten sich dennoch, eine ausreichende Zahl von Kleinmünzen auszugeben,
weil ihre Herstellung nicht lukrativ war. An die Vorschrift Großsilber zu Kleinsilber im Verhältnis
sechs zu eins auszumünzen hielt sich keiner der Herzöge.
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Als der Bedarf an Kleingeld nicht mehr gedeckt war, gingen Staaten und Städte dazu über, minder-
wertige Kleinmünzen zu produzieren. Nur diese warfen einen Gewinn ab, mit dem man wenigstens
die Prägekosten decken konnte. Im Laufe der Zeit wurden immer schlechtere Münzen geprägt, indem
man das teurer gewordene Silber mit Kupferbeimischungen streckte.
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Reichs- und Kreistage ver-
suchten zwar immer wieder dagegen vorzugehen, waren aber machtlos. So versuchte der Münz- und
Kreisdeputationstag zu Braunschweig vom 22.-30. September 1617 die Münzzerrüttung abzustellen.
Aber die dort gefassten Beschlüsse wurden wie immer nicht ausgeführt.
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