Seite 56 - Muenzbuch

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Die Münzen und Medaillen im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges
„Hie hengt Kipperhauff / die durch Geldt
Verderben wollten gar die Welt:
Alles Silber han sie weggerafft /
Drumb sind sie mit dem Strang gestrafft:
Klein und roth Geldt / das sie gemacht /
Hat sie endlich an Galgen bracht:
Weil Diebes Blut ihr ursprung war /
Hengen sie auch wie Diebe dar."
Im Laufe des Jahres 1622 setzte sich endlich bei den meisten Fürsten
die Erkenntnis durch, dass auch die Staatsfinanzen unter der Kipperei
litten. Man nahm aus Steuern und Abgaben nur noch schlechtes Geld
ein, mit dem die Beamten nicht ausreichend entlohnt und kaum noch
Söldner angeworben werden konnten. Zudem war Rechtsunsicherheit
eingetreten, weil Schuldner nun ihre Schulden mit schlechtem Geld
zurückzahlen wol lten, obwohl die Kredite mit gutem Geld ein-
gegangen worden waren. Ende 1620 erhielt der Braunschweiger Bürger
Daniel Krüger zwar die 150 Taler zurück, die sein Vater vor dem Jahr
1600 verliehen hatte. Doch sie wurden ihm in neuem schlechtem Geld
ausgezahlt, und er merkte bald, dass die einst 150 Taler jetzt nur noch
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Taler wert waren. So beschritt er den Prozessweg.
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Nicht nur
zwischen Schuldnern und Kreditgebern kam es zu zahlreichen
Prozessen, sondern auch gegen Münzmeister und Münzbeamte ging
man gerichtlich vor.
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Die meisten Staaten werteten 1622 und 1623 das Kippergeld ab oder
verriefen es ganz. Beim Zurücktauschen erhielt man oft nur noch den
Metallwert. Im niedersächsischen Kreis war schon im April 1621 von der Kreisversammlung in
Lüneburg eine Kommission eingesetzt worden, die ein Gutachten über die Ursachen der Geldzer-
rüttung und Vorschläge zur Heilung erarbeiten sollte. Am 12. Juni 1622 fasste der Kreistag zu Lüneburg
auf Grund der Kommissionsvorschläge Beschlüsse, die das Ende der Kipperzeit in Niedersachsen ein-
läuteten. Laut Kreisabschied sollte das alte Wertverhältnis zwischen Reichstaler und Groschen wieder-
hergestellt werden. Für Taler- und Groschenprägung wurde der Feingehalt nach den alten Ordnungen
vor der Kipperzeit festgesetzt. Wer weiter prägte, sollte große Münzen und Kleingeld im Verhältnis
sieben zu eins produzieren. Ein Höchstpreis für Silber wurde festgelegt. Verboten wurden die Ver-
pachtung von Münzstätten sowie das Einschmelzen großer Münzen und ihre Umprägung in kleine
Nominale. Diese und viele weitere Bestimmungen sollten dem Kipperunwesen ein Ende bereiten.
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3. Die ‚Kipperei’ im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel
Das System
Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel war eines der größten Zentren der Kipper- und Wipper-
tätigkeit in Deutschland. Flächendeckend wurde das Land mit ‚Heckenmünzstätten‘ überzogen.
Waren es ursprünglich höchstens vier Münzstätten, so arbeiteten 1615 schon zehn Münzstätten im
Land, 1620 gar 17. Schließlich produzierten rund 40 Kippermünzstätten unter Herzog Friedrich Ulrich
(1613-1634) schlechtes Geld. Die an der Kipperei beteiligten Unternehmer erzielten riesige Gewinne.
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Auch das Land nahm auf diese Weise rund zwei Millionen Taler ein, wie berechnet wurde.
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Abb. 184:
Anonymes Flugblatt
(Radierung) gegen Kipper
und Wipper 1621: „Eine er-
schröckliche Newe Zeittung
so sich begeben und zu-
tragen in disem 1621 jar
mit eim Geldt Wechsler“. –
HAUM, Kupfer-
stichkabinett.