Seite 38 - Quadriga

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Die beiden Quadrigen des ehemaligen Residenzschlosses
Die Seesener Quadriga wurde in den
Jahren 1890/93 ungefähr im 1:2-Maßstab
für die Weltausstellung in Chicago angefer-
tigt.
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Stolz zeigen Fotografien von der
Ausstellung die von Ehrenbäumchen auf
einem Sockel umrahmte Quadriga. Auf-
traggeber war die Braunschweiger Hand-
werkerschaft des Metallgewerbes, die für
die Ausstellung, als Referenzstück ihres
Könnens, eine Replik von Rietschels meis-
terhaftem Entwurf als angemessen erachte-
te
(Abb. 55)
. Ausführende war aber nicht
mehr die Werkstatt Howaldts, die keine
gute Entwicklung genommen hatte. Der äl-
tere Sohn war 1868 tödlich bei einem Werk-
stattunfall verunglückt, Sohn Hermann
Howaldt 1891 verstorben. So übernahm die
braunschweigische Wilhelmshütte in Bor-
num bei Bockenem am Harz den Auftrag.
Leiter der Kupfertreibarbeiten war nun ein
Schmiedemeister namens Bode, der einem
Angebotsblatt der Wilhelmshütte zu Folge
mit dieser schon sehr häufig zusammenge-
arbeitet hatte.
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Bereits am 2. Februar 1893
war die neue Quadriga fertiggestellt und
wurde stolz in einer Werkhalle der Wil-
helmshütte präsentiert.
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Um 1910 wurde die Ausstellungsquadri-
ga verkauft. Der neue Eigentümer hatte
1914 vor, sie nach einem gewonnenen Welt-
krieg seiner Heimatstadt Seesen zu schen-
ken und auf einem eigens dafür zu errich-
tenden Triumphtor beim alten Amtsschloss
als Siegessymbol aufzustellen. Der Krieg
ging 1918 verloren, die Schenkung fand
nicht statt, und die Quadriga verblieb im Be-
sitz der Erwerberfamilie. Dort befindet sie
sich auch heute noch
(Abb. 56)
. Der Harz-
reisende von Seesen nach Clausthal-Zeller-
feld sieht sie rechter Hand am Ortsausgang
auf dem Privathaus der Familie stehen. Die
Seesener Quadriga, die im späten 19. Jahr-
hundert noch einmal Rietschels großen
Entwurf aufgriff, zählt somit in Deutsch-
land neben den drei großen historischen
Quadrigen in Berlin, Dresden und Mün-
chen zu den bedeutendsten historischen
Zeugnissen dieser so seltenen Gattung der
Bildhauerkunst.
Abb. 56:
Seesen, die Brunonia der
Quadriga von 1890/93 in
Privatbesitz.