Seite 82 - Raabe_inspiriert

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selige Männer unter Girlanden prosteten dem Foto-
grafen zu. Im Hintergrund erkannte man die hölzer-
ne Regelmäßigkeit eines verfallenen Mühlrads.
„Das ist der alte Becker, meine Urur – Moment
mal – doch, zweimal Urgroß­vater mütterlicherseits.
Der mit der Schankwirtschaft draußen am Bach!“
„Der sich vergeblich mit den Rübengenossen an-
gelegt hat?“ Anna wusste Bescheid in unserer Fami-
liengeschichte.
„Ja, mit der Zucker-Aktiengesellschaft, die ‚seinen‘
Bach alljährlich in eine stin­kende Brühe verwandelt
hatte. Sein Bruder – haben wir da nicht auch noch
ein Foto?“
Ich wühlte vergeblich in dem Stapel. „Na, ist ja
auch egal, jedenfalls war der Chemiker und hat ihn
überredet, gegen die Zuckergesellschaft zu klagen.
Nach Einreichung der Klage hat die ihm aber gleich
angeboten, die alte Mühle für gutes Geld zu kaufen.
Er wollte sich ohnehin bald zur Ruhe setzen und so
willigte er ein. Aber verwunden hat er den Verlust
dieses schönen Fleckchens nie.“
„Ist dort nicht heute auch wieder ein Lokal?“ Anna
kannte die Verhältnisse aus den Erzählungen, ich
dagegen hatte die Gegend oft bei meinen Besuchen
durchstreift.
„Die Mühlschänke verfiel und ist irgendwann ab-
gerissen worden. Die Zucker­fabrik blieb noch lange
dort und musste in den 60er Jahren nach langem
politi­schen Gezänk eine Kläranlage bauen. Dazu
nutzte man ausgerechnet das Ge­lände meines –
mhm, ich muss wieder nachzählen – Ururgroßva-
ters. Zehn Jahre später wurde die Fabrik geschlossen