Seite 83 - Raabe_inspiriert

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und abgerissen. Ja, heute ist dort ein Nobelrestau-
rant, auch so eine Art Idylle.“
„Hat er denn damals wenigstens ordentlich abkas-
siert?“
„Nach dem, was meine Tante erzählt hat, war es
nicht wenig. Aber er selbst hat nicht viel davon ge-
habt. Er starb kurz darauf und vererbte alles seinem
Bruder und seinem einzigen Sohn. Hier … “, ich
zog ein Bild von Ebert Becker aus dem Stapel, der
allein, etwas steif und ausdruckslos vor einem
schwarzen Vorhang abgelichtet war. „Der Ebert hat
sein Geld bei seinem Chemiker-Onkel in eine Fab-
rik für Chlorgas angelegt.“ Ich wühlte weiter. „Von
dem ist wohl kein Foto da. Der Zweig der Familie
war bei uns nicht besonders beliebt, aber ziemlich
reich – auch heute noch.“
„Und der hier? Da steht August Becker drauf.“ Ein
gut aussehender Mann in Uniform lächelte stolz in
die Kamera, die Hand auf einen Stuhl gestützt, auf
dem seine Frau brav das Neugeborene zeigte.
„Mein Großvater, also einer von Eberts beiden
Söhnen.“ Meine Tante hatte viel von dieser Genera-
tion erzählt.
„Ein schöner Mann!“
„Leider nicht lange, 1918 kam er aus dem Welt-
krieg völlig von Verbrennungen entstellt und mit
nur einem Bein nach Hause.“
„O wei, davon gibt es wohl kein Foto, nicht wahr?“
Anna klang etwas scharf und blickte mich forschend
an. „Wahrscheinlich nicht, heben wir denn hässli-
che Fotos und Erinnerungen an schlechte Zeiten
auf? Hier, meine Großmutter als junge Frau mit den