Seite 20 - Westphalenzeit

Basic HTML-Version

54
Genuss einer Freiheit, einer Gleichheit, eines Wohlstandes kommen, wie sie
die deutschen Völker bisher noch nicht erfahren haben.“
Und Margot Ruhländer schreibt in ihrem Buch über das Stift Steterburg im
Hinblick auf das Königreich Westphalen:
„Es muss durchaus ein erregendes
Ereignis gewesen sein, dass sich alle Teile der Bevölkerung von einem Tag
auf den anderen gleichgestellt sahen (das betraf selbstverständlich nicht die
Frauen), dass alle Religionsgemeinschaften gleiche Rechte hatten, dass Zunft-
und andere korporative landständische Privilegien aufgehoben waren und
alle Einwohner gleiche Bedingungen für den Zugang für Ämter finden sollten
und nach einem einheitlichen Steuersystem besteuert wurden.“
Im Helmstedter Stadtarchiv sind die Akten der Stadtverwaltung aus dieser
Zeit archiviert. Sie spiegeln die große Umstellung wider, die dieses neue
Regime brachte und die alle Lebensbereiche der Bevölkerung betraf. Sehr
viele Schriftstücke mussten in französischer Sprache verfasst werden oder
es musste eine Übersetzung angefertigt werden. Diese Quellen, die bisher
leider nur sehr unzureichend erschlossen wurden und das „Helmstädtsche
Wochenblatt“, das am 1. Januar 1809 erstmalig erschien, geben uns heute
einen guten Einblick in das Leben in Helmstedt vor 200 Jahren unter der
Herrschaft von „König Lustik“, wie der Bruder des Kaisers wegen seiner
äußerst unbeschwerten Lebensweise im Volksmund genannt wurde.
 Das 19. Jahrhundert begann in Helmstedt in Ruhe und Beschaulich-
keit.
„Die Universität gibt der Stadt ihre vorzügliche Nahrung“
, schreiben
Hassel und Bege über diese Zeit. Die Studentenzahlen waren wieder leicht
angestiegen Auch die finanzielle Seite schien gesichert, die Universität
„brachte jährlich aus eigenen Mitteln 47.000 bis 66.000 Taler ins Land und
benötigte nur 25.000 Taler Staatszuschuss“
. Es war sogar davon die Rede,
dass Immanuel Kant eventuell von Königsberg nach Helmstedt wechselt,
Goethe besuchte unsere Stadt. Die Helmstedter Universität war nicht nur
in Deutschland bekannt, sie hatte auch im Ausland einen außerordentlich
guten Ruf.
Im 17. und besonders im 18. Jahrhundert hatte sich wie auch in anderen
Städten eine Änderung der Gewerbestruktur vollzogen. Von Herzog Carl
wurde diese wirtschaftliche Umstellung gefordert und gefördert. Im Jahr 1768
verlangte er von dem damaligen Helmstedter Bürgermeister Lichtenstein eine