Seite 24 - Zwangsarbeit

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‚Arbeitseinsatzes’. Mit der Integration der 1927 „als halbautonome Körperschaft des
öffentlichen Rechtes“
3
ins Leben gerufenen „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und
Arbeitslosenversicherung“ in das Reichsarbeitsministerium zum Jahreswechsel
1938/39 fanden die nachgeordneten Arbeitsämter endgültig ihren Platz als zentrale
staatliche Arbeitsmarktbehörde, die der – wie es nun hieß – „planmäßigen Lenkung
der Arbeitskräfte des Volkes nach den übergeordneten Gesichtspunkten der Staats-
politik“ verpflichtet war
4
.
Parallel zum Bedeutungszuwachs der Arbeitsämter verlief die schrittweise
Beschränkung der beruflichen Freizügigkeit des Einzelnen. Die Wahl des Arbeits-
platzes bedurfte bei Einstellung bzw. Kündigung ihrer Zustimmung. Aus der freien
Berufswahl wurde die ‚Nachwuchslenkung’. Das Arbeitsamt wies den Betrieben
Jugendliche nach fachlicher Prüfung als Lehrlinge zu. Neigung und Elternwillen spiel-
ten kaum mehr eine Rolle. Vor allem die „Verordnungen zur Sicherstellung des Kräf-
tebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“ vom 22. Juni
1938 und 15. Februar 1939 – im Verbund mit den Eingriffen in die Betriebsordnungen
– etablierten die „lückenlose staatliche Regulierung des Arbeitsmarktes“
5
. Mit dem
Instrument der Dienstverpflichtung konnten die Arbeitsämter nun jedem deutschen
Staatsangehörigen Arbeitsstellen innerhalb des Deutschen Reiches zuweisen („Reichs-
ausgleich“). Fehlte Unternehmen aus Sicht der Arbeitsverwaltung die staatspolitische
Bedeutung, so mussten sie die betreffenden Arbeitskräfte abgeben. Dies konnte
die Existenz kleinerer Firmen, wie etwa kleinerer Handwerksbetriebe, durchaus
gefährden.
Das hatte schon lange nichts mehr mit Dienstleistung für arbeitssuchende Bürger zu
tun, sondern nur noch mit instrumenteller Arbeitseinsatzlenkung, die wie die mecha-
nische Steuerung einer Maschine verstanden wurde. Der Präsident der Reichsanstalt und
Leiter der Geschäftsgruppe ‚Arbeitseinsatz’ des Vierjahresplans, der Jurist und Ingenieur
Friedrich Syrup, und seine Mitarbeiter bedienten sich gern der Maschinenmetaphorik,
um die Schlagkräftigkeit der Arbeitsverwaltung und deren Bedeutung bei der Steuerung
3
Wolfgang
Spohn
, Betriebsgemeinschaft und Volksgemeinschaft. Die rechtliche und institutionelle Regelung
der Arbeitsbeziehungen im NS-Staat. Berlin 1987, S. 409; als Nachweis der in diesem Beitrag verwendeten
grundlegenden Literatur verweise ich neben den in den anderen Kapiteln bereits genannten Titeln zur
Kriegswirtschaft und den in den nachstehenden Fußnoten aufgeführten Literaturangaben auf die folgenden
Veröffentlichungen: Horst
Kahrs
, Die ordnende Hand der Arbeitsämter. Zur deutschen Arbeitsverwaltung
1933-1939. In: Arbeitsmarkt und Sondererlaß. Menschenverwertung, Rassenpolitik und Arbeitsamt.
Hg. v. Götz
Aly
, Mathias
Hamann
, Susanne
Heim
, Ahlrich
Meyer
. Berlin 1990, S. 9-61 (hier auch Hin-
weis auf die statistischen Methoden); Dieter
Maier,
Arbeitsverwaltung und nationalsozialistische Juden-
verfolgung in den Jahren 1933-1939. In: Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik.
1990 (8), S.62-136; Walter
Naasner
, Neue Machtzentren in der deutschen Kriegswirtschaft 1942-1945. Die
Wirtschaftsorganisation der SS, das Amt des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und das
Reichsministerium für Bewaffnung und Munition/Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion im
nationalsozialistischen Herrschaftssystem. Boppard a. Rhein 1994. (Schriften des Bundesarchivs 45), Kapitel 1;
Zur Rolle der Verwaltungsbehörden allgemein im Nationalsozialismus vgl. Wolf
Gruner
und Armin
Nolzen
(Hg.), Bürokratien. Initiative und Effizienz. Berlin 2001 (Beiträge zur Geschichte des National-
sozialismus 17).
4
Willi
Sommer
(Hg.), Die Praxis des Arbeitsamtes. Eine Gemeinschaftsarbeit von Angehörigen der Reichs-
anstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Berlin 1939, S. 35/37. Nach Kahrs (Anm. 3),
S. 47.
5
Spohn
(wie Anm. 3), S. 423, zur Berufsberatung (wie Anm. 13).