Seite 23 - Zwangsarbeit

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2. Zwangsarbeitsstrukturen in der braunschweigischen
Kriegswirtschaft
2.1. Von der Arbeitsvermittlung zur Menschenbewirtschaftung.
Zur Rolle der Arbeitsämter bei der Organisation des ‚Ausländer-
Einsatzes’ in der Kriegswirtschaft des Landes Braunschweig,
1939-1945
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Gudrun Fiedler
Die Arbeitsverwaltung im NS-Staat
Innerhalb eines Jahrzehnts wurde in der NS-Diktatur aus der unabhängig handelnden
Weimarer Arbeitsverwaltung ein staatlich gelenktes Instrument der ‚Menschenbewirt-
schaftung’. Der zwangsweise Arbeitseinsatz ersetzte die Vermittlung von Arbeitskräften
in fachlich geeignete Positionen. Der Rollenwandel der Arbeitsämter soll nachfolgend
sowohl im Hinblick auf die Organisationsstruktur als auch auf die zugrunde liegenden
Konzepte untersucht werden. Dabei kann gezeigt werden, dass die strukturellen Weichen
zur fortschreitenden Ausweitung der Zwangsmomente bei der Arbeitskräftelenkung
bereits in der Vorkriegszeit gestellt wurden. Der damit verbundene Aufgabenzuwachs
führte zu einer Aufwertung der seit der Weltwirtschaftskrise als ‚Stempelbuden’ bezeich-
neten Arbeitsämter. Im Anschluss daran wird das seit 1933 gewachsene Potenzial von
Zwangsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung am Beispiel des ‚Ausländer-Einsatzes’ im
Zweiten Weltkrieg untersucht.
Bereits in der Etablierungsphase der NS-Herrschaft schüttelten die Arbeitsämter
ihr ramponiertes Image ab und empfahlen sich gegenüber den Nationalsozialisten als
effiziente Behörde. Liberale, SPD- oder KPD-Mitglieder wurden entlassen
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. Zunächst
trugen die Ämter nach 1933 in der Phase der ‚Arbeitsschlacht’ zum Abbau der Arbeits-
losigkeit bei und setzten sich als Fachbehörden für die Erfassung, Kontrolle und Pla-
nung der Beschäftigten gegenüber Konkurrenten wie u.a. der nationalsozialistischen
‚Deutschen Arbeitsfront’ durch. Das „Gesetz über die Einführung des Arbeitsbuches“
gab ihnen im Februar 1935 dafür ein effektives Instrument an die Hand. Das im
November 1935 folgende „Gesetz über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehr-
stellenvermittlung“ stärkte die Monopolstellung der Arbeitsverwaltung, die für die Ver-
teilung und Vermittlung von Arbeitskräften sowie für die Berufsberatung und Lehr-
stellenvermittlung zuständig war. Ab 1936 verschob sich das Aktionsfeld hin zur
Beschaffung der nunmehr rar werdenden Facharbeiter und der Organisation des
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Der Aufsatz wurde verfasst unter Berücksichtigung der von Manfred Stulgies-Wirt, M.A., erstellten Quel-
lenübersichten und Aktenauswertungen.
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In StA WF 12 Neu 13 Nr. 8571 befindet sich eine sog. ‚Schwarze Liste’ aus dem Jahr 1933 mit Vorschlägen
für Entlassungen von Mitarbeitern des Arbeitsamtes Braunschweig.