Seite 32 - Zwangsarbeit

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Die bei der AOK Braunschweig krankenversicherten Ausländer arbeiteten insbe-
sondere bei großen Rüstungsfirmen wie der Büssing-NAG, den Niedersächsischen
Motorenwerken G.m.b.H. und Motorenfabrik (NIEMO)/Büssing-NAG Flugmotoren-
werke G.m.b.H. u. Motorenfabrik (Flumo), den Luther-Werken und der MIAG AG.
Einige wenige Klein-Gewerbetreibende wie Hoteliers, Restaurantbesitzer und das Staats-
theater werden genannt, ebenso Landwirte. Nicht vertreten sind also einige große
Rüstungsbetriebe, mit Voigtländer der zweite wichtige Betrieb der für die Rüstung eben-
falls wichtigen optischen Industrie, etliche Konservenfabriken und Baufirmen, der öffent-
liche Dienst einschließlich Krankenhäusern, die Kirchen und Handwerksbetriebe.
Bei Beginn des Forschungsvorhabens befand sich die Kartei in den Räumen der
AOK Braunschweig. Erstmals erlaubte die Krankenkasse den Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern des Projektes den Zugang, wofür an dieser Stelle herzlich gedankt werden soll.
Heute befindet sich die Kartei im Stadtarchiv, wo sie insbesondere von Herrn Wegener
betreut wird. Sie befindet sich noch heute in jener Ordnung, wie sie sich im Mai 1945
befand und wurde nicht, wie bei vielen anderen Ortskrankenkassen, später in die allge-
meine Meldekartei einsortiert
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Die zur Verfügung stehende Zeit und der finanzielle Rahmen ermöglichten leider
keine vollständige Auswertung der Kartei. So blieb nur der Weg einer stichprobenarti-
gen Erfassung der Daten. Die Größe der Grundgesamtheit von rund 50.000 erlaubt
glücklicherweise schon bei kleinen Stichproben repräsentative Aussagen, dies vor allem
auch, weil die Art der Datei es ermöglicht, eine echte Zufallsstichprobe zu ziehen. Nach
Abwägen aller Umstände entschieden wir uns für eine 5 %-Zufallsstichprobe. Dazu
wurde jede zwanzigste Karteikarte gezogen. Insgesamt waren es 2.461 gezogene Karten
zuzüglich eines Restes von 9 Karten, so dass die exakte Grundgesamtheit 49.229 Kar-
teikarten umfasst. Die Karteikarten geben neben den Angaben zu Familien- und Vorna-
men und der Versicherungsdauer u.a. Auskunft über Geburtsdatum und -ort, Her-
kunftsland, Arbeitgeber, Art der Tätigkeit in den braunschweigischen Betrieben, Wohn-
ort sowie über Dauer und Ursache von Krankmeldungen. Vereinzelt sind auch Ehe-
frauen und Kinder auf den Mitgliedskarten eingetragen. Die Kartei ist zunächst nach
Geburtsjahrgängen geordnet, dann nach Monaten und innerhalb der Monate in alpha-
betischer Reihenfolge der Nachnamen der Versicherten.
Die Anmeldung zur Krankenversicherung war nach Gesetzeslage Pflicht der Arbeit-
geber und so kann davon ausgegangen werden, dass die Meldekarten von Beschäftigten
der jeweiligen Personalbüros ausgefüllt worden sind. Bei dieser Erfassung ist es zu Feh-
lern gekommen. So hat Herr Wegener vom Stadtarchiv Braunschweig bei der Eingabe
von Namen im Zusammenhang mit Entschädigungsfragen rund die Hälfte der Kartei-
karten in der EDV erfasst. Dabei wurde festgestellt, dass es bei ca. 6 % der Karteikarten
zu Doppelungen gekommen ist. Dieser Umstand führt dazu, dass diese Personen eine
doppelte Chance hatten, in die Auswahl zu kommen, so dass es bei der Stichprobe zu
einer Verzerrung kommt. Im vorliegenden Fall kann dies jedoch vernachlässigt werden,
da zum einen die Zahl der doppelt Registrierten überaus klein ist. Zum anderen müsste
die zweite Karte aufgrund der Ordnung der Datei wegen desselben Geburtsdatums dicht
hinter der ersten Karte stehen. Sie dürfte somit nicht in die Stichprobe eingegangen sein.
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Wie etwa bei der AOK Helmstedt.