Seite 99 - Fallersleben

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Die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur im Industriezeitalter
Beihilfe an die Bedingung geknüpft, dass „von der
Eisenbahngesellschaft ein Bahnhof bei Fallersleben in
höchstens einer Entfernung von fünf Minuten angelegt
wird.“
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Diese verpflichtende Zusage wandte sich an den
Vorsitzenden des Komitees der Berlin-Lehrter Eisen­
bahn Bankier Adolph Hansemann in Berlin und hatte
Bestand bis zum Ende des Jahres 1867, in dem tatsäch­
lich das Projekt aufgelegt wurde. Vom Direktorium der
Magdeburg-Halberstädter-Eisenbahn-Gesellschaft wur­
de im Februar 1869 um weitere Unterstützung des Vor­
habens gebeten und eingewandt, dass die geforderte
kurze Entfernung zum Bahnhof kaum realisiert werden
könnte.
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Als erster Bauabschnitt begannen am 1. August
1868 die Bauarbeiten zwischen Stendal und Spandau,
kurze Zeit später in anderer Richtung zwischen Stendal
und Gardelegen.
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1870 erreichten die Arbeiten an der
Strecke das Amt Fallersleben, nachdem die Landdrostei
in Lüneburg die entsprechenden Genehmigungen er­
teilt hatte. Aufgrund des Kriegsbeginns und der Kampf­
handlungen gegen Frankreich im selben Jahr wurden
die Bauarbeiten an der Eisenbahnstrecke behindert,
und lediglich der Einsatz von „Gastarbeitern“ vor allem
aus Schweden und Polen als Ersatz der eingezogenen
einheimischen Arbeiter führte ab Oktober 1870 zur
Fortsetzung des Projekts.
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Wie aus einem Brief Hoffmanns von Fallersleben an
seinen Freund Carl Grete in Vorsfelde hervorgeht,
nahm der berühmteste Sohn Fallerslebens Anteil an
der Grundsteinlegung des Bahnhofs am 24. November
1870 und spendierte einen Reichsthaler zur Feier des
ersten Spatenstichs.
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Der Bau der Strecke machte über
ihre ganze Länge gute Fortschritte und näherte sich in
der zweiten Jahreshälfte 1871 der Vollendung. Im
Fallersleber Stadtbuch vermerkte Bürgermeister Fried­
rich Mumme 1871 als Stadtchronist: „In diesem Jahre
wurde die Eisenbahn, seit 1870 im Bau, fertig gestellt
und in Betrieb gesetzt. Durch den Krieg erhielt der Bau
allerdings eine Unterbrechung, doch wurde bei dem
überaus günstigen Verlauf des Feldzuges bald wieder
weiter gebaut.“
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Die Aller-Zeitung, Lokalzeitung in diesem Raum, be­
richtete vom 13. Juli 1871 als gesellschaftlichem und
geschichtsträchtigem Ereignis in Fallersleben: „Am
Dienstag hatten wir hier die Freude, die erste Loco­
motive mit einigen Personenwagen von Oebisfelde her
auf dem Fallersleber Bahnhofe ankommen zu sehen. Das
frohe Ereignis wurde von einer Gesellschaft, aus Staats-
und Baubeamten, Einwohnern von Fallersleben und der
umliegenden Ortschaften bestehend, in fröhlicher Weise
und, wie es Nachkommen Teuts geziemt, bei Essen und
Trinken gefeiert.“
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Damit zeichnete sich die baldige
Streckeninbetriebnahme immer mehr ab. Am 9. Oktober
1871 erfolgte die landespolizeiliche Abnahme des
Streckenabschnitts von Lehrte bis zur Provinzgrenze bei
Wolfsburg durch höhere Regierungsbeamte und Ver­
waltungs- und Wegebaubeamte aus Burgdorf, Mei­ner­
sen, Gifhorn und Fallersleben. Zur Abnahme verkehrte
ein Zug mit drei Personen- und einem Güterwagen auf
der Neubaustrecke im hannoverschem Teil.
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Kaiser Wilhelm I. ließ es sich nicht nehmen, wenige
Tage vor der offiziellen Inbetriebnahme mit einem
Sonderzug die Strecke zwischen Berlin und Hannover
zu befahren. An manchen Orten hoffte man auf einen
Der Reichsbahnhof.