Seite 15 - Juedische_Familien

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Zuversicht und Drangsal
Hoffnungsvolle Vorfahren
Das Leben der Juden in vergangenen Jahrhunderten im Herzogtum Braunschweig
unterschied sich nicht von dem in anderen Ländern des christlichen Reiches, denn auch
heimische absolutistische Herrscher handelten willkürlich. Sie gaben den Juden Rechte,
unterdrückten und diskriminierten sie, wie es die gesellschaftliche, wirtschaftliche, poli-
tische, theologische oder soziale Lage des Landes gebot. 1697 erhielt der Jude Marcus
Gumpel Fulda ben Mose einen herzoglichen Schutzbrief. Das erlaubte ihm, sich mit sei-
ner Familie in Wolfenbüttel niederzulassen. Als „Hofagent“ war er überwiegend als
Bankier für den Landesherrn tätig. Samson Gumpel, um 1702 in Wolfenbüttel geboren,
war eines seiner sieben Kinder. Nach jüdischem Brauch führten die Kinder zu ihrem
Rufnamen den Vornamen ihres Vaters anstelle des Familiennamens:
Aufgrund der 1808
im Königreich Westphalen angeordneten Annahme feststehender Namen wählten die Nach-
kommen des 1767 verstorbenen Samson Gumpel dessen Vornamen Samson als ihren Fami-
liennamen.
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In Preußen mussten die Juden ab 1812 bürgerliche Nachnamen annehmen,
allerdings durften es keine christlichen sein. Was der Emanzipation dienen sollte, wurde
durch diskriminierende Vorgaben ins Gegenteil verkehrt. Mit Phantasienamen (zum
Beispiel „Apfelbaum“) waren Juden wieder gekennzeichnet und leicht identifizierbar.
Die Familie Samson
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gilt als die Gründerfamilie der Wolfenbütteler jüdischen Gemeinde.
Marcus Gumpel richtete in dem von ihm Anfang des 18. Jahrhunderts erworbenen
Hauses am Holzmarkt einen Gebetsraum ein. Nach dem Zwangsverkauf des neben der
Trinitatiskirche gelegenen Hauses erwarb er das Grundstück Harzstraße 12. 1781 ent-
stand im dortigen Hinterhaus die erste Synagoge, und fünf Jahre später gründete er hier
eine „Talmud-Tora-Schule“. Mit dem Zukauf eines benachbarten Hauses und eines
Grundstücks in der nahegelegenen Engen Straße entstand hier ein kleiner Schulcampus
mit Internat, aus dem 1807 in der Kommissstraße und ab 1896 am Neuen Weg die Sam-
sonschule wurde.
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1836 richtete die Gemeinde im Haus Großer Zimmerhof 28 das erste öffentliche Ritu-
albad (Mikwe) ein, ein zweites entstand 1843 im Haus Harzstraße 12. Ihre Toten konnten
die jüdischen Wolfenbütteler nur in Hornburg
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und Halberstadt bestatten. 1724 erhielt
Marcus Gumpel Fulda ben Mose die Genehmigung zur Anlage eines Friedhofes am
4
Schulze, Hans, Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Wolfenbüttel, in: Braunschweigisches
Jahrbuch 1967, S. 27.
5
Vgl. Bein, Reinhard, Ewiges Haus, Braunschweig 2004, S. 82; darin vorzügliche Porträtzeichnungen eini-
ger Mitglieder der Familie Samson, gezeichnet von Felix Pestemer.
6
Der Vater des späteren Leiters der Samsonschule, Dr. Philipp Ehrenberg, besuchte die Schule und berich-
tete über sein Leben in Wolfenbüttel; vgl. Richarz, Monika, Jüdisches Leben in Deutschland. Selbstzeug-
nisse zur Sozialgeschichte 1780-1871, Stuttgart 1976; vgl. Schulze, Hans, Samuel Meyer-Ehrenberg 1773
– 1853, in: Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 54, 1973, S. 269 ff.
7
Vgl. Schulze, Peter (Hg.), Mit Davidsschild und Menora. Bilder jüdischer Grabstätten in Braunschweig,
Peine, Hornburg, Salzgitter und Schöningen 1997 – 2002, Hannover 2002.